Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
die andere Hälfte.
    In der Rue du Faubourg-Saint-Jacques herrschte großer Aufruhr. Die Weber diskutierten über die Wandbehänge, die König Guillot gestohlen hatte. Maler, Händler und Kommanditisten, die an der Herstellung der Tapisserien beteiligt gewesen waren, wollten die Versammlung keinesfalls verpassen, und um Schlag zwölf nahm der neue Vogt an, dass alle anwesend waren. Er gebot ihnen, sich in das Haus von Guillot zu begeben, wo die Tapisserien noch immer ausgestellt waren.
    Man sprach von nichts anderem als von den seidenen, schillernden Teppichen, die die Wände des Schurken schmückten. Die beeindruckenden Werke aus Wolle und Seide, die mit feinen Fäden aus Arras sowie mit Gold- und Silberfäden gearbeitet waren, leuchteten in all ihrer Pracht. Alix konnte nicht den Blick von ihnen wenden. Sie betrachtete jedes Detail, das sie verwenden konnte, jede Farbe, jeden Strich, jede Kontur. Selbst Properzia war von diesen wundervollen Werken fasziniert.
    Wegen Der Aufbruch des verlorenen Sohnes waren Maler und Zeichner aus Antwerpen angereist, die einst die Kartons geliefert hatten. Das Ensemble Die freien Künste , das aus vier Teilen bestand und durch Die Arithmetik repräsentiert wurde, interessierte die Finanziers des Werkes, die aus Tours stammten. Wegen des riesigen Daniel und Nabuchodonosor kamen flämische Künstler, die für den Entwurf verantwortlich zeichneten.
    Dahingegen wurde das erstaunliche, sechs Meter lange Bild Die Jagd von Devonshire , in dem die leuchtenden Farben Blau und Karmesinrot dominierten, von Experten betrachtet, bewundert und studiert. Jede Figur, jedes Tier, jeder Grashalm, jede Blume und jeder Farn wurde analysiert, um zu sehen, ob es sich nicht um eine Fälschung handelte.
    Wie es aussah, war Die Jagd von Devonshire jedoch echt. Einige Experten traten noch näher heran, bis plötzlich eine raue, aber zweifellos gut informierte Stimme ertönte:
    Â»Sie stammen aus dem englischen Schloss Hardwick in Derbyshire. Die Eigentümer sind nach Frankreich gekommen, um sie hier zu präsentieren. Nachdem das Werk verschwunden war, sind sie sogleich wieder abgereist, weil sie überzeugt waren, dass man es in England versteckt habe.«
    Nachdem alles in ein Register eingetragen worden war, vermisste niemand Die Dame und der Papagei , da niemand von ihr wusste. Es fehlten zweifellos noch andere Werke, denn König Guillot handelte, womit er wollte und wie er wollte. Aber wenn Mathilde da gewesen wäre, hätte sie sogleich bemerkt, dass noch mehr Kostbarkeiten als nur Tapisserien fehlten. Die Mätressen von Guillaume de Montalon hatten Smaragde und Rubine schönen Webarbeiten vorgezogen.
    Eine Reihe mit Lanzen bewaffneter Männer umringte die Menge. Der Vogt von Paris hielt sich an der Seite seiner Administratoren, die die Namen jener aufnahmen, die einen Strafantrag stellen wollten.
    Â»Kläger auf die rechte Seite«, rief einer von ihnen und bedeutete der Menge, sich zu teilen. »Die anderen auf die linke. Los, bewegt Euch!«
    Als Alix Namen und Adresse ihrer Werkstätten angab, musste sie den Grund ihrer Klage nennen. Sie hatte sich ausgiebig umgesehen und bereits festgestellt, dass Maître Bellinois nicht zugegen war. Er hatte den Prozess verloren, nachdem der französische König einen Brief an den zuständigen Richter gesandt hatte, in dem er bestätigte, dass die Werkstätten von Alix de Cassex die Millefleurs in dem Teppich Das höfische Leben realisiert hatten. Dadurch war Alix jedoch noch nicht von dem Diebstahl der Galanterien freigesprochen, dessen Bellinois sie beschuldigte.
    Nachdem man sie nun im Haus von König Guillot wiederentdeckt hatte, war Alix entlastet und der neue Prozess, den Bellinois anstrebte, gescheitert. Es war deshalb nicht überraschend, dass er nicht gekommen war, um das triumphierende Lächeln auf den Lippen seiner Widersacherin zu sehen.
    Â»Wo befinden sich die übrigen Teile des Wandbehangs?«
    Alix hob den Blick zu dem sie verhörenden Vogt.
    Â»An sicherer Stelle an den Wänden des Château de Chaumont, dem Sitz von Charles d’Amboise.«
    Â»Sind es nicht insgesamt fünf?«
    Â»Nein, verehrter Vogt, es sind sieben.«
    Der Mann betrachtete eine Weile die Weberin von kaum vierzig Jahren, in deren Augen ein ungewöhnlicher Ausdruck lag. Ganz sicher hatte er diese Augen schon einmal irgendwo gesehen. Und dieses Lächeln! Ja! Vor allem ihr

Weitere Kostenlose Bücher