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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Massai-Kriegern, die ein Getränk aus Milch und Blut zusammenmischten. Von russischen Sträflingen, tätowiert von Kopf bis Fuß.
    »Sie trinken einen Tee«, sagte Furzewa. Es war eine Feststellung, keine Frage.
    Während sie in der Küche beschäftigt war, wanderte Arkadis Blick durch die Wohnung, ein Elsternnest voller Exotik an der Grenze zum Plunder: ein Perserteppich, mit Spaltleder bezogene Ottomanen, mexikanische Ponchos, balinesische Handpuppen, ausgestopfte Affen und Fotos auf jeder Fläche. Am anderen Ende des Zimmers seufzte ein uralter Wolfshund.
    Viktor verneigte sich vor Bildern der jungen Furzewa mit Hemingway, Kennedy, Jewtuschenko und Fidel Castro. »Die maßgeblichen Stecher unserer Zeit«, sagte er.
    »Wie bitte?« Furzewa kam mit einem Tablett mit Tee, Zucker und Marmelade herein.
    »Ihre Fotos sind ein maßgeblicher Kommentar zu unserer Zeit«, sagte Arkadi.
    »Und ihrer Zeit voraus«, behauptete Viktor.
    Furzewa schenkte ihnen ein. »Ja. Wir nannten die Ausstellung der drei Männer >Evolution<. Das war 1972. Der KGB hat sie noch am selben Tag wieder abgehängt. Wir haben uns zu wehren versucht, aber wir waren Goldfische, die gegen Haie kämpften. Wundert mich, dass Sie überhaupt davon gehört haben.«
    »Aber das ist Geschichte«, sagte Viktor.
    »Zur Geschichte gehört das Alter. Das Alter wird überschätzt. Beachten Sie die Porträts der Tänzer auf dem Klavier. Von Nijinski bis Baryschnikow.« Alle waren männlich und mitten im Sprung auf den Film gebannt, bis auf einen älteren Mann im weißen Anzug, der zurückhaltend im Schatten einer Tür stand. »Nijinski war leider schon ein bisschen gaga, als ich ihn schließlich erwischt habe.«
    Viktor und Arkadi ließen sich auf Ottomanen sinken, und Furzewa setzte sich in einen Sessel und zog jungmädchenhaft die Füße unter sich. Arkadi dachte plötzlich, wenn Kleopatra achtundachtzig Jahre alt geworden wäre, hätte sie ein bisschen ausgesehen wie sie. Alle ihre Bewegungen hatten Schwung. Als der Wolfshund einen Darmwind verstreichen ließ, riss sie ein Streichholz an und verbrannte das Methan in der Luft mit königlicher Gebärde. »Jetzt sagen Sie mir, worum es geht. Ich sitze schon auf glühenden Kohlen. Ein Krankenwagen hat jemanden aus dem Bauwagen geholt, das habe ich gesehen. Ist da jemand gestorben?«
    »Ein junges Mädchen«, sagte Viktor. »Wahrscheinlich an einer Überdosis, aber wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen. Waren Sie um Mitternacht wach?«
    »Natürlich.«
    »Leiden Sie unter Schlaflosigkeit?«
    »Ich genieße den Vorteil der Schlaflosigkeit. Bei den Drei Bahnhöfen gibt es so interessante Gestalten zu sehen. Wie die Tiere an einem Wasserloch.«
    Höflich tauchte Viktor seinen Zuckerwürfel in die Tasse. »Haben Sie gesehen, wie der Wagen abgeholt wurde?«
    »Natürlich.«
    »Haben Sie vorher jemanden hineingehen oder herauskommen sehen?«
    »Nein. War das Mädchen eine Prostituierte?«
    »Das ist das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen.«
    »Ich nehme an, der Wagen wurde zur genaueren Untersuchung weggebracht?«
    Ja, zum Polarkreis, dachte Arkadi.
    Der Hund bekam einen Schluckauf, und Furzewa öffnete eine neue Streichholzschachtel.
    »Und Sie haben in der Nacht nichts Ungewöhnliches gesehen?«, fragte Viktor.
    »Abgesehen vom Abtransport des Bauwagens - nein. Tut mir leid, meine Herren.«
    Viktor stand auf und verbeugte sich fast. »Vielen Dank, Madame Furzewa, für den ausgezeichneten Tee. Wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte, irgendetwas, rufen Sie mich bitte an. Ich lasse Ihnen meine Karte hier.« Er legte sie neben die Teetasse.
    Sie zögerte. »Da gibt es noch etwas. Vermutlich hat es aber überhaupt nichts mit all dem zu tun.« »Bitte. Man kann nie wissen.«
    »Na ja, meine Nachbarn da unten, die beiden Sibirer ...« »Woltschek und Primakow. Wir haben mit ihnen gesprochen. «
    »Nicht letzte Nacht, aber in der Nacht davor, da haben sie sich mit Leichensäcken ins Haus geschlichen. Mit vollen. Und gestern bin ich auf der falschen Etage ausgestiegen - sie sehen ja alle gleich aus, wissen Sie -, und bevor ich den Schlüssel in die Tür stecken konnte, habe ich gehört, wie sie davon redeten, eine Leiche zu zerteilen.«
    Furzewas Augen glänzten.
    Arkadi schaltete sich ein. »Sie haben geschnüffelt.« »Nicht absichtlich.«
    »Haben Sie Ihren Schlüssel im Schloss ausprobiert?« »Nein.«
    »Wie lange haben Sie vor der Tür gestanden?«
    »Ein paar Sekunden. Höchstens zehn.« »Haben die beiden

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