Die goldene Meile
Sache für die Wohnung des Doktors.
»Die Lage ist fabelhaft.«
»Eine angloamerikanische Schule gleich um die Ecke.« »Security rund um die Uhr und rollladengesicherte Fenster. «
»Zwölftausend Dollar pro Quadratmeter.«
»Und trotzdem noch ein Hauch des alten Moskau.«
Vier Paare vor Arkadi erzählte ein Mann mit hängenden Schultern und einem pockennarbigen Nacken einer Frau, die so elegant war, dass ihre Augenbrauen bloße Bleistiftstriche waren, in vertrauensvollem Ton, dass »vermutlich auch eine Audienz beim Papst auf dem Programm steht. Schaden kann es nicht«.
Arkadi erkannte den Pilger als Asa Baron, ehemals bekannt als Isa Baranowski, der wegen Unterschlagung und Betrug sechs Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Nach seiner Entlassung hatte er die gleichen Betrügereien fortgesetzt, aber jetzt hatte er sie als »Hedge-Fond« bezeichnet und war reich genug geworden, um das Gericht zu kaufen und seine Vorstrafe löschen zu lassen. Voilá! Ein neuer Name, eine neue Vergangenheit, ein neuer Mensch. Baron war nicht der Einzige, der vom Tellerwäscher zum Millionär geworden war. Arkadi entdeckte einen Olympia-Funktionär, der als junger Mann einen Konkurrenten mit einem Kricketschläger totgeschlagen hatte. Der kahl rasierte Schädel eines anderen Mannes trug die Narben von einem Granatenangriff: eine Erinnerung daran, dass man beim Erklimmen der Erfolgsleiter zuweilen auch den Kopf einziehen musste.
In einer langen Vitrine lagen Armbanduhren, auf denen man Zeit, Datum, Wassertiefe, Sekundenbruchteile und den Zeitpunkt zur Medikamenteneinnahme ablesen konnte. Bis 120.000 Dollar. Ein Cello, gespielt von Rostropowitsch. Eine Kommode, benutzt von Peter dem Großen.
Security-Mitarbeiter in Armani-Schwarz schlängelten sich durch die Menge. Arkadi fragte sich, wie er eigentlich anfangen sollte. Er malte sich aus, wie er Baron auf die Schulter tippte und sagte: »Verzeihen Sie, ich untersuche den Tod einer billigen Prostituierten, und trotz all Ihrem Geld sehen Sie aus wie ein Kandidat für meine Fragen.« Und unmittelbar danach der Rauswurf.
Eine Frau auf dem Laufsteg verkündete: »In fünfzehn Minuten wird die Messe für heute geschlossen. Dank Ihnen, die Sie sich nur mit dem Besten zufriedengeben, hilft der Luxus den Bedürftigen, besonders all diesen unschuldigen Mädchen. Noch fünfzehn Minuten.«
Arkadi tat, als sei er ein Mann, der versuchte, sich zwischen einem gepanzerten Bentley für 250.000 Dollar, einem diamantenbesetzten Harley-Davidson Cruiser für 300.000 Dollar und einem Bugatti Veyron, so schwarz wie eine Gewitterwolke, für 1.500.000 Dollar zu entscheiden. Die Sicherheitsleute kamen eindeutig auf ihn zu. Also hatte doch jemand seinen Namen mit der VIP-Liste verglichen. Mit der gesellschaftlichen Schmach würde er leben können, dachte Arkadi. Er war nur wütend auf sich selbst, weil es ihm nicht gelungen war, auch nur einem einzigen Menschen Veras Foto zu zeigen.
»Was um alles in der Welt machen Sie denn hier?« Es war Walidowa, Arkadis Nachbarin aus der Wohnung gegenüber. Anja Walidowa. Jeder kannte ihren Namen. Arkadi war es gewohnt, sie inmitten eines Schwarms von reichen und politisch einflussreichen Leuten zu sehen. Wenn er sie sah, musste er immer an einen wütenden Spatzen denken.
»Ein bisschen stöbern.«
»Hat Ihnen hier was gefallen?«
»Etwas, das in meinen Etat passt. Ich neige zu dem Bugatti. Tausend PS. Vierhundertfünfzig km/h Spitze. Bei Höchstgeschwindigkeit ist natürlich nach zwölf Minuten der Sprit alle, und nach fünfzehn fangen die Reifen an zu brennen. Ich habe den Verdacht, in Wirklichkeit ist es ein russisches Auto.«
Sie zeigte zum Mezzanin hinauf. »Ich habe Sie von da oben beobachtet. Ihnen steht >Polizist< auf den Leib geschrieben. «
»Und was machen Sie hier? Ich dachte, Sie wären eine seriöse Journalistin.«
»Ich bin Autorin. Autoren berichten über alles Mögliche, und das hier ist das gesellschaftliche Ereignis des Jahres.«
»Wenn Sie das sagen.« Zumindest waren die Sicherheitsleute auf dem Rückzug. Außerdem erklärte es, warum Anja einen schwarzen Hosenanzug trug und Block und Bleistift in der Hand hielt. Sie arbeitete. Aber sie hätte Stelzen mitbringen sollen. Sie war einen Kopf kleiner als alle andern.
Sie musterte ihn ebenfalls. »Sie haben nicht viel übrig für reiche Leute und für Mode, was?«
»Ich verstehe nicht genug von Mode, um eine Meinung dazu zu haben. Genauso gut können Sie einen Hund über das Fliegen
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