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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Letzte Woche wollte der Redakteur ein Stück über Diät, und sie hat einen Artikel geschrieben, der hieß: Wie man Supermodels kocht.«
    »Wie hat er den Models gefallen?«
    »Sie waren entzückt. Er handelte von ihnen.«
    Die Tennisspielerin kehrte auf die Bühne zurück und ließ einen Gong ertönen. Die Schau war zu Ende. Jetzt fing die Party an.
    Zuerst musste die Fläche frei geräumt werden. Das hätte problematisch werden können, denn es gab keinen Vorhang, um das Verschieben der Vitrinen zu verbergen. Aber nur wenige Gäste bemerkten etwas, denn ein Scheinwerfer lenkte die Aufmerksamkeit auf einen Tänzer in Harlekinkostüm und Maske, der mit baumelnden Armen und Beinen auf einer Laufplanke hoch oben unter der Decke saß wie eine Marionette auf einem Regalbord. Er bewegte sich ruckhaft und gab die pantomimische Darstellung einer rasenden Leidenschaft, dann eines gebrochenen Herzens, und nach ein paar tränenreichen Augenblicken stürzte er sich in sein Schicksal.
    Aber statt auf dem Boden aufzuschlagen, erhob er sich wieder in die Höhe, getragen von Drähten, die von einer Filmcrew aus Hongkong gesteuert wurden. Drähte hin, Drähte her - das Publikum hielt den Atem an, als er wie eine Motte aus einem glühend heißen Licht ins nächste gewirbelt wurde. Er vollführte eine Reihe gewaltiger Sprüngen á la Nijinski, senkte sich auf den Boden und flog dann zurück auf die Laufplanke. Die Hausbeleuchtung strahlte so weit auf, dass man eine Tanzfläche und in Stufen übereinander angeordnete Tische und Nischen in rokokohaftem Weiß und Gold sehen konnte.
    Ein schwarzer DJ mit einer prall gefüllten Afrika-Strickmütze setzte einen Kopfhörer auf, legte Schallplatten auf zwei Plattenspieler, nahm diverse geheimnisvolle Einstellung an seinem Mischpult vor und nickte dabei zu einem Beat, den nur er hörte. Er grinste breit und gab dann Musik auf die Lautsprecher. Alle waren im Smoking und verdammt vornehm, aber jetzt wurden die Krawatten gelockert und der Champagner ausgeschenkt, und eine Minute später war die Tanzfläche so voll, dass die Tanzenden sich nur noch an Ort und Stelle winden konnten wie die Seelen der Verdammten.
    Anja erklärte, die Tische auf der obersten Stufe seien die teuersten. Sie waren ein Zufluchtsort für ältere Männer, die ein- oder zweimal das Tanzbein schwangen und die Fläche dann mit intakter Ehre und in der sicheren Gewissheit verließen, dass die Welt ein Scheißhaufen sein mochte, aber das »Nijinski« doch immer noch ganz oben drauf stand.
    Waksberg sagte: »Das hier ist neutrales Gelände. Wir haben Bombensuchhunde und fünfzig Sicherheitsleute, die dafür sorgen, dass das Schusswaffen- und Kameraverbot eingehalten wird. Wir wollen nicht, dass unsere Gäste aus dem Nahen Osten sich Sorgen wegen Fotos machen, auf denen sie mit einem Drink in der Hand und einer Tänzerin im Arm zu sehen sind.«
    »Was ist mit Dopey los?«, fragte Anja. Der kostümierte Zwerg schnarchte zusammengerollt unter einem Tisch.
    »Er atmet, und anscheinend hat er es bequem«, sagte Waksberg. »Lassen Sie ihn.«
    Arkadi lehnte sich zurück, als weiß behandschuhte Kellner mit flinken Bewegungen ein Tischtuch ausbreiteten und eine eisgekühlte Schüssel mit Beluga-Kaviar, warmen Toast und Perlmuttlöffel auftrugen. Die Erdnüsse verschwanden.
    »Die jungen Leute nennen Ecstasy eine Schmusedroge, weil es anscheinend die Aggressionen verringert. Sie tanzen mit Vergnügen die ganze Nacht auf zwei Quadratzentimetern herum, bis ihnen die Köpfchen schwirren. Ich kann es nur empfehlen. Was tun Sie zu Ihrem Vergnügen, Renko?«
    »Im Winter bin ich zum Skilaufen in Chamonix. Für den Sommer habe ich ein Boot in Monte Carlo.«
    »Im Ernst.«
    »Ich lese.«
    »Tja, und die Leute auf der Messe unterhalten sich damit, dass sie ihr Geld für wohltätige Zwecke ausgeben. In diesem Fall für obdachlose Kinder, die um ihre Kindheit betrogen und zur Prostitution gezwungen werden. Jungen und Mädchen. Haben Sie daran etwas auszusetzen?«
    »Wenn ein Milliardär einem hungernden Kind ein Almosen gibt? Was könnte daran auszusetzen sein?«
    »Bitte«, sagte Anja, »das >Nijinski< ist kein Wohltätigkeitsverein. Das >Nijinski< ist ein Nachtclub für superreiche Jungen im mittleren Alter. Sie kommen her, um von einem Tisch zum andern zu gehen. Die Frauen haben schön zu sein, über die rüden Bemerkungen der Männer zu lachen, bei jedem Trinkspruch anzustoßen und die plumpen Annäherungsversuche der besten Freunde ihrer

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