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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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eine Sekunde. Als ob man einen Luftballon zersticht. «
    »Dann musst du mich auch umbringen. Und dann hast du zwei Leichen statt einer.«
    »Du weißt doch nicht mal, wer der Vater ist. Einer, mit dem du es ohne Gummi getrieben hast. Wahrscheinlich hat es AIDS und ein Dutzend andere Krankheiten.«
    »Fass mein Baby nicht an. Klapp das Messer zu.«
    »Du wolltest es weggeben. Du warst damit einverstanden.«
    »Klapp das Messer zu.«
    »Du machst es mir sehr schwer. Du kennst diese Leute nicht.«
    »Wen?«
    »Diese Leute. Sie verhandeln nicht mit kleinen Mädchen. Sie verhandeln mit niemandem.«
    »Dann gehe ich weg. Du hast mein Geld. Es ist eine Menge, hast du gesagt.«
    »Das war, bevor du schwanger geworden bist. Entgangene Einkünfte, plus Kost und Logis. Dazu Arztrechnungen, Kleidung, Steuern, diverse Ausgaben. Wenn ich das Geld abziehe, das ich für dich aufbewahrt habe, schuldest du dem Club 81.450 Dollar.«
    »81.450 Dollar?«
    »Ich kann's dir aufgeführt zeigen.«
    »Hast du mit meinen Eltern gesprochen?«
    »Deine Mutter sagt, wie man sich bettet, so liegt man. Du wirst es abarbeiten müssen.«
    Sie folgte Mattis Blick. »Bin ich verkauft worden?«
    Er schlug sie, und auf ihrer Wange glühte ein roter Abdruck seiner Hand.
    »Du bist ein gescheites Mädchen. Viel zu gescheit, um solche Fragen zu stellen. Stell diese Frage nie wieder.«
     
    Maja zog sich in das Wartehäuschen zurück. Die Zahl 81.450 schwirrte ihr im Kopf herum, aber das Häuschen beruhigte sie. Am Sonntag war im Club wenig los, und sie saß mit Katja stundenlang an der Haltestelle. Ein drei Wochen altes Baby konnte nur schlafen, und Maja schaute ihr dabei zu. Sie fand es unglaublich, dass ein so vollkommenes Geschöpf aus ihr gekommen war, so vollständig geformt und so durchscheinend, dass es leuchtete.
    Maja sah, dass Matti sie von einem Fenster des Clubs aus beobachtete. Den Himmel, die Straße, die Laterne, das Mädchen, das Baby. Alles war dasselbe, Tag für Tag. Nur das Baby wurde größer.
     
    Matti erwischte Maja allein in der Lounge des Clubs, einer Höhle mit rotsamtenen Sofas und erotischen Statuen. Es war elf Uhr morgens, und wie er roch und aussah, konnte man glauben, er habe die Nacht in einer Wodkaflasche verbracht.
    »Kennst du den Unterschied zwischen einem Russen und einem Finnen?«, fragte er.
    »Ein kompetenter und ein inkompetenter Säufer. Hast du schon erzählt.«
    »Nein, Prinzessin. Es ist die Gründlichkeit. Du hast keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast. Diese Leute machen keine halben Sachen. Sie haben Clubs wie diesen hier überall auf der Welt. Und überall auf der Welt Mädchen wie dich. Mädchen, die auf die Idee kommen abzuhauen, bevor sie ihre Schulden bezahlt haben.« Er zeigte ihr ein Foto. »Kannst du dir vorstellen, dass das ein hübsches Mädchen war?« Er zeigte ihr noch ein Foto. »Kann man das ein Gesicht nennen? Na los, schau sie dir an. Vielleicht lernst du etwas.«
    Maja stürzte zur Bar und übergab sich ins Spülbecken.
    »Jetzt weißt du es.« Matti erhob sich schwankend. »Für diese Leute bist du nichts Besonderes. Für sie bist du nur ein Luder, das zu viel redet.«
     
    Sie kamen am nächsten Tag, zwei Männer in Overalls und Stiefeln mit einem antiken Volvo-Kombi. Maja hatte sofort einen Namen für sie: die Gärtner. Sie war reisefertig, mit Katja in einem Korb und Windeln in einem zweiten, als wollten sie einen Tagesausflug machen. Die Männer hätten sie und das Baby kurzerhand hinten in den Kombi geworfen, wenn der Wagen den letzten Kilometer nicht humpelnd und knatternd mit einem platten Reifen und einem Loch im Auspuff zurückgelegt hätte. Als der Autoschlosser in der Werkstatt erklärte, er könne Reifen und Auspuff innerhalb einer halben Stunde auswechseln, beschlossen die Gärtner, in der komfortabel klimatisierten Lounge zu Mittag zu essen.
    Die Frage war, was mit Maja passieren sollte. Sie konnten sie nicht in den Wagen sperren, wenn er auf der Hebebühne stand, und sie wollten nicht, dass sie mit ihren Kolleginnen zusammenkam. Sie wollten überhaupt nicht, dass sie noch einmal in den Club ging. Matti schlug vor, sie ins Wartehäuschen zu setzen; dort würde man sie im Auge haben, und sie konnte als abschreckendes Beispiel dienen. Die Männer schauten die Straße hinauf und hinunter und betrachteten das hüfthohe Gras an der Bushaltestelle, dann wandten sie sich wieder ihrem Kohl mit saurer Sahne zu.
    Maja selbst war erleichtert, als sie an der Haltestelle saß. Es war ein

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