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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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»einzelnen Mann« Waksberg meinte. Es gab nur Putin. Putins Gesicht im Fernsehen, die Putin-Jugend beim Aufmarsch, Putin, den Meister des Kampfsports. Sich über Putin zu beklagen, das war, als beschwere man sich über das Wetter auf dem Gipfel des Mount Everest, so weit entrückt war er. Regentropfen trommelten auf das Dach. Arkadi schaute nach hinten durch getöntes Glas in den Regen und verlor bald die Orientierung.
    »Man kann vieles über mich sagen, aber ein Heuchler bin ich nicht«, sagte Waksberg. »Als die gute alte Sowjetunion zerbrochen war, habe ich eine Menge Geld verdient. Es war, als legte man aus alten Steinen ein neues Puzzle zusammen. Zugegeben, wir haben unseren Vorteil genutzt, wo immer wir konnten. Welches große Vermögen ist nicht so entstanden? Die Medici, die Rothschilds, die Rockefellers? Glauben Sie nicht auch, dass die zu Anfang alle blutige Messer hatten?«
    »Hört sich an, als wären Sie in guter Gesellschaft.«
    »In der allerbesten. Aber jedes Vermögen ist eine Seifenblase, solange der Staat das Recht auf Privateigentum nicht respektiert. In einem Schwellenland - und glauben Sie mir, Russland ist ein Schwellenland - kann diese Seifenblase leicht zum Platzen gebracht werden. Wer hat schon Lust, Geschäfte in einem Land zu machen, in dem reiche Männer vergiftet oder in Käfige gesperrt und nach Sibirien verfrachtet werden? Wir hielten uns für die Lieblinge des Kremls. Und jetzt stehen wir alle auf einer kleinen Liste.«
    »Wer steht auf dieser Liste?« Arkadi war neugierig.
    »Wir. Wir waren die Idioten, die diese Echse an die Macht gebracht haben. Unsere Echse hat sich als Tyrannosaurus rex entpuppt. Ich hatte über zwanzig Läden in Moskau. Jetzt sind alle dunkel, alle bis auf den >Club Nijinskk Ich habe Köche, Geschäftsführer, Croupiers - mehr als tausend Leute, die ich allwöchentlich bezahle, nur damit sie bereitstehen. Das >Nijinski< ist meine letzte Bastion. Sie werden jeden Vorwand benutzen, um mich da hinauszujagen, und ein Skandal wegen eines toten Mädchens würde genügen.«
    »Dann bin ich nicht Ihr Mann. Ich glaube, sie wurde ermordet. «
    »Wenn das so ist, will ich den haben, der es getan hat.«
    »Würde das keinen Skandal geben?«
    »Nicht, wenn man es richtig macht.«
    »Es gefällt mir nicht, wie das hier läuft«, sagte Anja.
    »Es läuft dahin, wo es hinführt.« Waksberg beugte sich vor. Aus der Nähe sah er müde aus. Seine Haut war rau wie Pergament, und Bart und Brauen waren tintenschwarz gefärbt - ein alternder Teufel, der auf seine Schminke angewiesen war. »Sie sind nicht gerade der >Nijinski<-Typ«, sagte er.
    »Ich war dienstlich da. Sie wissen, warum.« »Aber ganz allein? Ich habe sonst niemanden gesehen.« »Ich assistiere einem Milizbeamten, der andere Spuren verfolgt.«
    »Und Sie sind in Ihrer Eigenschaft als Ermittler hier?« »Ja.«
    Waksberg brachte es ihm behutsam bei. »Ich habe mit Surin gesprochen.«
    »Mit Staatsanwalt Surin? Um diese Zeit?« Arkadi musste sich eingestehen, dass er an diese Möglichkeit nicht gedacht hatte.
    »Ja. Ich habe mich dafür entschuldigt, dass ich ihn mitten in der Nacht anrufe, aber ich habe noch nie mit einem Mann gesprochen, der so versessen darauf war, sein Herz auszuschütten. Er sagte, Sie hätten keinen Grund, im >Nijinski< Ermittlungen anzustellen, denn Sie seien suspendiert worden. Tatsächlich hat er Sie als selbstherrlichen Lügner mit gewalttätiger Vergangenheit beschrieben. Hat Staatsanwalt Surin die Wahrheit gesagt? Hat er Sie suspendiert?«
    »Das wird er wahrscheinlich demnächst tun.«
    »Surin war eine sprudelnde Informationsquelle. Haben Sie je auf einen Staatsanwalt geschossen?«
    »Das ist lange her.«
    »Hat man schon einmal auf Sie geschossen?« »Vor Jahren.« »Ins Gehirn?« »In den Kopf.«
    »Das ist ein sehr feiner Unterschied. Staatsanwalt Surin beschreibt Sie als instabilen, hirngeschädigten Hochstapler. Praktisch als tollwütigen Hund.«
    »Sind Sie das?«, fragte Anja.
    »Nein.«
    Manchmal übertönte das Prasseln des Regens alles andere, als rauschte hinter ihnen eine Flutwelle, die Häuser, Bäume und Autos vor sich hertrug. Dima verfolgte das Gespräch mit dem Finger am Abzug. Arkadi hatte Verständnis. Die Leute glaubten, einer der Vorteile sagenhaften Reichtums bestehe darin, dass man den weichen Innenraum eines kugelsicheren Wagens zu Klump schießen, die Polster zerfetzen und mit Blut tränken könne. Aber durch die Panzerung und all das konnte es verheerende

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