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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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gehört.
    Surin hatte noch nie so gut ausgesehen: fit und kampflustig. Unter Jelzin war er rundlich und schlaganfallgefährdet gewesen. Unter Putins Regime ernährte er sich vernünftig, trieb Sport, und er hatte abgenommen. Neben ihm lag ein Stapel Dossiers.
    Gendler hatte Arkadis Ausweis und die Neun-Millimeter-Makarow mitten auf den Tisch gelegt und stellte fest, dass dies ja wohl die ideale Ausgangsposition für ein Russisches Roulette sei.
    »Nur, dass man dazu einen Revolver braucht«, sagte Arkadi. »Eine Trommel, die man drehen kann. Sonst haben Sie das Element des Glücks weitgehend eliminiert.«
    »Wer braucht schon Glück?« Gendler stellte einen Kassettenrekorder auf den Tisch, drückte die Aufnahmetaste und nannte Ort, Datum, Uhrzeit und die Namen der Anwesenden.
    Arkadi brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was hier vorging. »Ist das hier die Anhörung zu meiner Entlassung?«
    »Ja. Haben Sie mehr Tamtam erwartet?«
    »Ich habe erwartet, dass es sich um eine Vorverhandlung handelt. Ich möchte den Termin gern verschieben.«
    »Kommt nicht in Frage. Der Ausschuss ist versammelt. Wir sind beschlussfähig, und Staatsanwalt Surin hat das notwendige Aktenmaterial mitgebracht. Wir können nicht verlangen, dass er all dieses Papier hin und her schleppt, wie es Ihnen gerade passt.«
    »Ich brauche Zeit, um mein Material vorzubereiten. Ich habe das Entlassungsschreiben gestern erst bekommen.«
    »Das war Ihr zweites. Der erste Brief ist schon vor einem Monat abgegangen. Ihre Vorbereitungszeit ist gestern abgelaufen.«
    Vier Asse. Schachmatt. Toooor! Nichts konnte den Triumph in Surins Gesicht verschleiern. Er hatte seine Rolle perfekt gespielt, und Arkadi in seiner Ahnungslosigkeit hatte es auch getan.
    »Dann wäre ich suspendiert worden.«
    »Das sind Sie auch.«
    Das erklärte, warum die Staatsanwaltschaft ihm keine Fälle mehr übertragen hatte. Es war ihm selbst unerklärlich, dass er so blind gewesen war.
    »Ich war jeden Tag im Büro.«
    »Um sich auf diese Anhörung vorzubereiten, nehme ich an«, sagte Surin. »Ich habe ihn dabei nicht gestört.«
    »Renko«, sagte Gendler, »haben Sie nichts mitgebracht, um Ihre Verteidigung zu untermauern?«
    »Nein.«
    »Dann geht es kurz und schmerzlos. Nach Staatsanwalt Surins Angaben wurden Sie vor zwei Nächten gesehen, wie Sie aus einer Ausnüchterungszelle kamen. Gestern wurden Sie dabei ertappt, dass Sie Autopsieberichte verändert haben, um einen Mordfall zu konstruieren. Heute behaupten Sie, Sie seien einem Serienmörder auf der Spur. Und wer sind Sie morgen? Napoleon? Jack the Ripper? Bedaure, aber in einem Disput mit Behauptungen und Gegenbehauptungen muss ich mich an die harten Fakten halten, und Sie haben keine vorzuweisen.«
    »Ich schlage vor«, sagte Arkadi, »wir gehen das Material des Staatsanwalts durch, um zu sehen, wie hart seine Fakten wirklich sind.«
    »Dazu haben wir keine Zeit mehr. Wir ertrinken in Arbeit. Also, haben Sie vor, Ihre Entlassung anzufechten oder nicht?« »Nein.«
    »Er gibt auf«, sagte Gendler einigermaßen überrascht zu Surin.
    »Das habe ich gehört. Dann braucht er das hier nicht mehr.« Surin nahm Arkadis Ausweis und die Pistole vom Tisch.
    Arkadi packte Surins Handgelenk. »Nicht die Pistole.«
    »Die dürfen Sie nicht behalten. Sie ist Staatseigentum.«
    »Bitte, meine Herren, bitte.« Der Assistent des stellvertretenden Generalstaatsanwalts versuchte die beiden zu trennen. Arkadi bog Surins Finger von der Pistole zurück, bis Surin losließ.
    »Sehen Sie?«, sagte Surin. »Er ist vollkommen verrückt. Vor Zeugen.«
    »Lesen Sie das.« Arkadi reichte Gendler die Waffe.
    »Was soll ich lesen?«
    »Was auf dem Schlitten steht«
    Die Gravur war feinste Kalligraphie.
    »In Dankbarkeit verleiht das russische Volk dem geehrten Ermittler A. K. Renko diese Pistole mit einer Lizenz auf Lebenszeit.«
    »Sie gehört mir«, sagte Arkadi.
    »Das sehe ich.« Gendler gab ihm die Waffe zurück.
    »Renko«, sagte Onkel Josif. »Also das war mal ein Hundesohn.«
    Alle erstarrten. Gendler vor allem war perplex. Niemand hatte je ein Wort von Onkel Josif gehört, und der Alte war wieder verstummt, bevor jemand ihn fragen konnte, welchen Renko er meinte und ob dieser Satz als Lob oder Tadel gedacht war.
     
    Arkadi kam mit einer Plastiktüte voll kalter Mineralwasserdosen zu Viktor zurück. Am dritten Tag kamen die Schlangen des Alkoholentzugs ans Licht, aber Viktor trank ohne abzusetzen zwei Dosen leer.
    »Wie ist die Anhörung

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