Die Goldgräber-Bande
Verblüffende
Ähnlichkeit mit Ihrem Erlebnis, nicht wahr?“
Rädl bewegte unruhig die Füße.
„Es scheint so.“
„Aber dann stellte sich
heraus“, Tim verbreiterte sein Grinsen, „es war alles ganz anders.“
„Tatsächlich.“
„Stellen Sie sich vor: Den
Räuber gab’s gar nicht.“
Rädl schluckte. „Er wurde nie
gefunden?“
„Nein. Ihn gab’s nicht. Er war
eine Erfindung. Der Apotheker hat ihn sich ausgedacht.“
Rädl öffnete den Mund, schloß
in wieder, sah seine Frau an. „Ausgedacht?“ Ninas Stimme klang wie klirrendes
Glas. Sabine, die sich auf die Couch gefläzt hatte, lächelte und wußte nicht
recht, was das sollte.
„Ja, ausgedacht“, nickte Tim.
„Der Überfall war vorgetäuscht. Von einem ehrenwerten Mann, nämlich dem
Apotheker.“
„Un... unfaßlich!“ murmelte
Rädl.
„Nicht unbedingt. Leider
entsinne ich mich nicht mehr, weshalb er das gemacht hat. Ich glaube, er saß
irgendwie in der Klemme. Es gab einen Grund für ihn, die Narkotika beiseite zu
bringen. Und weil er ja Rechenschaft schuldig ist darüber, hat er den Überfall
vorgetäuscht.
Tim lächelte noch immer — und
sah Gaby an mit einer Na-wie-habe-ich-das-gemacht?-Miene.
Seine Freundin räusperte sich.
„Dabei wäre es klüger gewesen, sich der Polizei anzuvertrauen.“
Tim nickte heftig. „Deinen
Vater hätte es damals geben müssen in meiner Heimatstadt. Einen Kommissar, der
für alles Menschliche Verständnis hat und sich dann beinhart einsetzt für die Gerechtigkeit.
Jawohl, Gaby, brauchst nicht rot zu werden. Unbegrenztes Vertrauen habe ich zu
deinem Vater. Wir alle haben das. Weil wir ihn kennen. Ihn hinters Licht zu
führen, wäre das Allerletzte.“
Stille.
Die Tapete schien zu knistern.
Und dieses Pochen? War das Rädls Herz an den Rippen?
„Mutti, ich glaube, Susi wird
nicht satt“, sagte Sabine. „Ich gebe ihr noch eine Tomate.“
„Aber... aber... nur eine.“
Nina hatte ihre Stimme nicht in der Gewalt.
Rädl schluckte. „Dieser...
Apotheker damals... hatte ganz bestimmt einen Grund. Wahrscheinlich hatte man
den Mann... in die Enge getrieben. Ihn — und seine Familie. Er mußte so
handeln.“
Sabine seufzte lautstark, weil
diese Theorien sie langweilten, und lief in die Küche.
„An welchen Grund denken Sie?“
Tim hob die Brauen. „Das würde uns sehr interessieren.“
Rädls Blick hing am Gesicht
seiner Frau.
Nina nickte unmerklich.
„Nehmen wir an“, sagte Rädl
leise, „der Apotheker hatte eine Tochter. Zehn oder elf Jahre alt. Und diese
Tochter wurde als Druckmittel benutzt. Von Verbrechern. Von einer Organisation,
die nicht mit sich spaßen läßt. Dem Apotheker und seiner Frau haben diese
Verbrecher vorgeführt, wie leicht dem Kind etwas zustoßen könnte — und ganz
bestimmt zustoßen wird, wenn der Vater nicht spurt. Wenn er nicht tut, was
verlangt wird. Wie will die Polizei das Kind beschützen? Auf dem Schulweg. Beim
Stadtbummel. Bei Freunden. Beim Einkaufen. Im Schwimmbad. Überall? Unmöglich!
Deshalb hat der Vater sich gefügt.“
„In dieser Überlegung steckt
ein Fehler“, sagte Tim. „Die Verbrecher können Sabi... äh... dem Mädchen nichts
anhaben, wenn sie hinter Gittern sitzen. Freilich müssen sie erstmal gefaßt
werden. Und das geschieht nicht, wenn man sich auf ihr Spiel einläßt. Eine
Organisation? Daß ich nicht lache! Diesen Erpressungscoup kann man pro
Apotheker nur einmal ausführen. Wäre ja hirnrissig, daraus eine Serie zu
machen. Wie lange würde die Polizei das glauben? Und der nächste Apotheker, der
seine Narkotika abliefern soll, reagiert vielleicht ganz anders, jedenfalls
nicht so botmäßig, untertan, bereitwillig, ängstlich. Nee, Herr Rädl! Diese
Erpresser sind Amateure. Brutale zwar, aber doch solche, die man einfangen
kann.“ Rädl wollte antworten.
In diesem Moment klingelte in
der Diele das Telefon.
20. Post für den Apotheker
Sie standen in derselben
Telefonzelle, aus der Charles Wolmhus sein Opfer, Sabines Mutter Nina Rädl,
angerufen hatte. Ossi hatte seinen Helm abgenommen. Diese Hitze hier drin! Auch
Jo schnappte nach Luft und hielt die Tür mit dem Fuß auf.
Das sah lässig aus. Mithören
wollte er unbedingt. Niemand war in der Nähe.
„Rädl“, meldete sich der
Apotheker.
Ossi hielt sich die Nase zu,
was seine Stimme veränderte und unkenntlich machte, wie er meinte.
„Hallo, Pillendreher“, feixte
er. „Na, schon erholt von dem Schrecken?“
„Wer spricht dort?“
„Na, wer wohl? Erkennst du
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