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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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erklären müssen, dass sie und Jochanan nach all den Kampfübungen nicht in der Lage gewesen waren, mit einen einzigen Straßenräuber fertig zu werden. Sie konnte sich Fischkopfs Gelächter lebhaft vorstellen. Nein, sie würde ihm nicht noch eine weitere Gelegenheit geben, sich über sie lustig zu machen. Lieber verzeichnete sie einen weiteren Verlust in dem Buch, in dem sie Einsatz und Ertrag ihrer Geschäfte eintrug.
    Gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie nichts gegen Saul unternehmen durfte, so schwer es ihr auch fiel. Natürlich konnte sie ihre Bekannten und Geschäftspartner in den jüdischen Gemeinden informieren und sie bitten, den Mann dingfest zu machen und als Dieb und Straßenräuber den Behörden zu übergeben. Doch wenn ihr ehemaliger Knecht sich in die Enge getrieben sah, würde er versuchen, sich mit dem Verrat ihres Geheimnisses aus der Schlinge zu ziehen.
    Lea rieb sich die Hüfte, die bei dem Sturz erneut geprellt worden war, und drehte sich zu Jochanan um. »Kein Wort zu Fischkopf, ich bitte dich! Unser Ärger geht diesen arroganten Christen nichts an.«
    Jochanan sah Lea verständnislos an. »Wäre es nicht besser …?
    Nein …? Ich verstehe. Saul würde ihm sagen, wer du wirklich bist, und wer weiß, ob Herr Fischkopf dich dann nicht auch damit erpresst.«
    »Ich hasse es, eine Frau zu sein.« Lea packte den Sack, in dem sich nur noch ein wenig weißes Mehl befand, und schleuderte ihn in eine Ecke der Laube. Dann humpelte sie zum Tor der Herberge, in der Hoffnung, sich in einer dunklen Ecke verkriechen zu können. Sie wollte niemanden mehr sehen und mit niemandem mehr sprechen, am wenigsten mit Roland Fischkopf.

6.
    Im Gegensatz zu Lea hatte Orlando den »Blauen Karpfen« ohne Probleme erreicht und sich ein reichliches Mahl auftragen lassen. Während er aß, wanderte sein Blick immer wieder durch ein offen stehendes Fenster die Gasse entlang, und so bemerkte er den Mann, der Lea und Jochanan nachschlich, ohne ihn jedoch zu erkennen. Als er sah, wie der Fremde Lea mit sich zog, sprang er auf und lief ins Freie. Da die Hausecke die Laube seinem Blick entzog, wollte er schon in die falsche Richtung laufen, aber Leas Stimme und der Name Saul brachten ihn auf die richtige Spur. Er stürzte auf die Laube zu, um sie zu warnen und ihr vom Verrat ihres ehemaligen Knechts zu berichten. Doch als er den Efeu beiseite schob, sah er, wie Saul das Messer zog und es ihr an die Kehle setzte.
    Um Lea nicht zu gefährden, blieb er stehen und lauschte. Ein-, zweimal überlegte er, ob er den Mann nicht mit einem schnellen Wurf seines Dolches außer Gefecht setzen sollte, doch zum einen war er sich seiner Kunst nicht so sicher, und zum anderen waren ihm die Folgen einer solchen Tat durchaus bewusst. So beobachtete er in sicherer Deckung, wie Saul Jochanan das Gold abpresste. Für einen Augenblick befand sich der Beutel fast in seiner Reichweite, doch ehe er zugreifen konnte, hatte Saul das Säckchen gepackt und rannte davon, als wäre der Teufel hinter ihm her. Orlando lief ihm nach, sah, wie Saul keine zehn Schritte weiter einen Haken schlug und durch eine Türöffnung in ein halb eingestürztes Haus sprang, und folgte ihm ohne zu zögern. So kam es, dass Lea weder ihn noch den räuberischen Knecht erblickte.
    Saul schien das Gold blind und taub gemacht zu haben, denn er bemerkte seinen Verfolger nicht. Seine Beute fest an die Brust gedrückt verließ er das Haus auf der anderen Seite, schlug erneut einen Haken und rannte eine Gasse entlang, in der sich der Dreck kniehoch stapelte. Erst als er die Einmündung einer weiteren Gasse erreicht hatte, blieb er kurz stehen und sah sich um. Orlando verbarg sich rasch unter einem leeren Torbogen, lugte aber sofort wieder hinaus, um den Dieb nicht aus den Augen zu verlieren. Saul aber war so schnell verschwunden, als hätte ihn der Erdboden verschluckt.
    Orlando unterdrückte den Ärger über seine zu große Vorsicht und ging angespannt weiter. Doch weder in dieser noch in der Quergasse war eine Spur von dem Mann zu finden, und er sah sich schon sämtliche Ruinen dieser Stadt durchsuchen. Da vernahm er Sauls Stimme, und ein frischer, schmutziger Fußabdruck vor einer schief in den Angeln hängenden Tür verriet ihm, welches Haus der Mann betreten hatte. Orlando schob des Türblatt vorsichtig beiseite, schlich durch einen mit Unrat bedeckten Flur und folgte Sauls Stimme zu einem Raum am anderen Ende.
    Da Orlando annahm, der Knecht würde mit einer anderen Person reden,

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