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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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brach die Nacht herein, und weit und breit waren kein Dorf und keine Herberge zu sehen.
    Da es um sie herum auch keine anderen Menschen gab, nutzte sie die Gelegenheit, sich am Ufer eines von dichtem Gebüsch umgebenen Rinnsals gründlich zu waschen und frische Brustwickel anzulegen. Dann rastete sie an einem noch glimmenden Feuer, das wohl Bauern auf einem Feld entzündet hatten, und nutzte die Gelegenheit, ihre gebrauchten Monatsbinden zu entsorgen, die sich als erstaunlich zuverlässig erwiesen hatten. Zufrieden sah sie zu, wie das verräterische Päckchen mit dem Werg zu Asche zerfiel. Es hatte seine Schuldigkeit getan. Als die Glut erloschen war, kuschelte Lea sich an ihre Stute, die sich ebenfalls niedergelegt hatte, und verbrachte eine ungestörte Nacht.
    Trotz des unbequemen Lagers erwachte sie am Morgen so erfrischt wie schon lange nicht mehr, und als sie sich noch einmal in dem nahe gelegenen Bach gewaschen und Cereza getränkt hatte, fühlte sie sich zuversichtlicher als in den letzten Wochen. Sie beschloss, zuerst nach Alicante zu reiten, und folgte einer schlecht instand gehaltenen Straße nach Osten. Nach einer Weile stellte sie fest, dass es mit ihrem Mut doch nicht ganz so weit her war, wie sie gedacht hatte, denn ihre rechte Hand wanderte immer wieder zum Knauf ihres Schwertes und blieb darauf ruhen, als biete der kühle Griff ihr Sicherheit. Im Feldlager hatte sie viel von Räubern und Briganten gehört, die die Wege unsicher machen sollten, und schalt sich im Nachhinein über ihren Leichtsinn, die Nacht auf freiem Feld verbracht zu haben.
    Als sie auf Reisende traf, die ebenfalls Alicante zum Ziel hatten, nahm sie deren Einladung, sich ihnen anzuschließen, dankbar an. Die Gruppe bestand aus Händlern und Hausierern, die mit Eseln und Maultieren unterwegs waren und sich über die Gesellschaft eines jungen Edelmanns mit einem scharfen Schwert an der Seite freuten. Lea blieb nur zu hoffen, dass die Männer nicht erfuhren, wie wenig sie diese Wertschätzung verdiente. Wenigstens hatte sie sich in den letzten Tagen so weit an den Sattel gewöhnt, um vor nicht allzu kritischen Augen als passabler Reiter erscheinen zu können. Das war vor allem Cerezas Verdienst, dachte Lea und tätschelte der Stute dankbar den Hals. Jetzt, wo die Innenseiten ihrer Oberschenkel nicht mehr wie Feuer brannten und sie beim Traben nicht mehr wie ein nasser Sack auf den Sattel klatschte, machte ihr das Reiten sogar ein wenig Spaß.
    Da ihre neuen Begleiter achtungsvoll Abstand hielten und Cereza von allein der Straße folgte, spann Lea sich wieder in ihre Gedanken ein und schreckte erst hoch, als einer der Händler die bevorstehenden Festtage zu Ehren eines Heiligen erwähnte und dabei das Datum nannte. Beschämt erinnerte sie sich daran, dass in dieser Zeit das Chanukka-Fest gefeiert wurde. Zu Hause in Hartenburg würden die Chanukka-Lichter brennen und Sarah darauf achten, dass etwas besonders Gutes auf den Tisch kam. Sie fragte sich, ob Elieser diesmal das Hanerot sprechen oder ob Jochanan weiterhin die Rolle des Vorbeters einnehmen würde.
    Bei dem Gedanken an das Chanukka-Fest fiel ihr ein, dass sie auf dieser Reise bereits Rosch ha-Schanah, Jörn Kippur und das Laubhüttenfest versäumt hatte, und machte sich Vorwürfe, weil sie wenigstens in Gedanken ihre Gebete sprechen hätte können. Sie war jedoch zu aufgewühlt gewesen, um sich an ihre religiösen Pflichten zu erinnern. Jetzt aber schwor sie sich, im neuen Jahr während der Feste zu Hause zu bleiben und sie so zu feiern, wie es sich für eine fromme Jüdin gehörte. Um ihr Gewissen zu beruhigen, bekräftigte sie ihr Vorhaben mit einem lautlosen Gebet.
    Alicante lag etwa zwanzig Léguas westlich von Murcia, dem ersten Ziel ihrer burgundischen Freunde. Ein guter Reiter hätte den Weg, den Lea gewählt hatte, in zwei Tagen zurücklegen können, die Reisegruppe kam jedoch nur so schnell voran, wie es die widerspenstigen Tragtiere zuließen, und erreichte ihr Ziel erst am frühen Nachmittag des vierten Tages. Auf der Plaza Mayor verabschiedeten die Männer sich wortreich voneinander, und jeder dankte de Saint Jacques im Namen irgendeines Heiligen für seine Begleitung, so als hätte Lea sie vor Pestilenz und Feuer bewahrt. Während sie sich noch fragte, was an der von keinem Zwischenfall getrübten Reise so gefährlich gewesen war, löste sich die Gruppe auf und ließ sie allein zurück.
    Für ein paar Augenblicke blieb Lea starr auf ihrem Pferd sitzen, denn es war ihr

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