Die Goldhaendlerin
anerkennend sagte, ein würdiger Gegner.
Am Morgen des Christtags regnete es immer noch, und es sah so aus, als müssten alle den Weg zur Kirche in einer Kutsche zurücklegen. Um die Mittagszeit klarte es jedoch auf, und die Straße trocknete so weit ab, dass sie reiten konnten. Lea schloss sich dem Zug mit wenig Begeisterung an und war froh, als der Padre in der Kirche nach einer viel zu langen Predigt das letzte Amen sprach. Die feierliche Stimmung begleitete die Gruppe, bis sie das Gut erreicht und sich im Wohnraum versammelt hatten.
Während die Gäste dem Wein zusprachen, der von Don Estebans eigenen Weinbergen stammte, und sich an den Leckerbissen labten, die Doña Estrellas Küchenmägde auf großen Tabletts in den Raum trugen, lockerte die Atmosphäre sich auf und es fiel immer wieder das Wort Corrida. Zuerst glaubte Lea, es handele sich dabei um einen Wettlauf, den einige der Gäste abhalten wollten. Später, als der Zusatz de Toros fiel, dachte sie an ein Stiertreiben. Doch auf das, was am nächsten Tag unter einem strahlend blauen Himmel abgehalten wurde, war sie nicht vorbereitet. Nach einem reichlichen, wenn auch recht spät gereichten Frühstück führte Don Raul die Gäste zu einer Stelle des Gutes, an der ein kreisrunder Platz mit festen Balken umzäunt worden war. Ein sich nach innen öffnendes Gattertor war der einzige Zugang zu diesem Pferch.
Zuerst wurde ein halbwüchsiger Stier hineingetrieben, an dessen Hörnern zwei rote Quasten befestigt waren. Zwei junge Burschen unter Don Estebans Knechten stiegen über den Zaun, tanzten um den Stier herum und versuchten, ihm die Quasten von den Hörnern zu reißen. Ihr Spiel war nicht ungefährlich, denn der Bulle war gereizt und stieß immer wieder zu. Schließlich gelang es einem der Burschen, die erste Quaste zu erhaschen. Während er zum Zaun floh und blitzschnell darüber kletterte, schlich sich sein Kamerad an den Stier und zupfte die zweite Quaste los. Er verlor sie jedoch auf der Flucht, zögerte einen Augenblick und wollte sie aufheben, doch da war der Bulle schon über ihm, trampelte ihn zu Boden und nahm ihn auf die Hörner.
Lea stockte der Atem, als der junge Bursche durch die Luft geschleudert wurde und benommen auf dem Boden liegen blieb. Bevor der Bulle erneut auf ihn losgehen konnte, wurde das Gattertor aufgerissen. Zwei Reiter galoppierten auf Pferden hinein, die mit dicken Strohmatten gepanzert waren, und drängten den Stier ab, während ein paar beherzte Kerle den Verletzten herausholten.
»Das war erst der Anfang«, erklärte Don Raul, der ungerührt zugesehen hatte. An diesem Tag hatte er sein gewohntes schwarzes Gewand gegen ein hauteng sitzendes rotes vertauscht und ließ sich nun von seinem Diener in eine leichte Rüstung helfen.
Zwei Knechte führten derweil ein mit Strohmatten und Lederpolstern behangenes Pferd heran. Raul de Llorza stieg auf und lenkte das Tier in den Pferch. Dort verbeugte er sich und ließ sein Pferd dabei eine Pirouette auf der Hinterhand drehen. Noch während aller Augen auf ihn gerichtet waren, trieben einige berittene Knechte einen ausgewachsenen schwarzen Stier in die Arena. Das Tier warf mit seinen Hufen den Sand hoch und schnaubte zornig.
Die Damen kreischten auf, als das Tier aus dem Stand lospreschte und sich auf den Reiter stürzte. Don Raul ließ sein Pferd mit einer geschickten Drehung ausweichen und trabte fast beleidigend gemächlich zum Zaun, an dem sein Diener stand und ihm zwei kurze Spieße reichte. De Llorza wartete, bis der Stier ihn fast wieder erreicht hatte, lenkte sein Pferd dann mit einem Schenkeldruck zur Seite und stieß gleichzeitig beide Spieße in den gewölbten Nacken des Bullen. Ein zorniges Brüllen erfüllte die Luft, und der Stier verfolgte seinen Peiniger mit animalischer Wut. Don Rauls Pferd wich ihm jedoch mit scheinbar mühelosen Bewegungen aus. Der Reiter hielt nun eine lange Lanze in der Hand, mit der er dem Bullen beinahe nach Belieben schmerzhafte Wunden zufügte.
Lea wusste nicht, wie lange sie dieses in ihren Augen ekelhafte Schauspiel noch ertragen konnte, wollte sich aber nicht sichtbar abwenden, um nicht aufzufallen. Auch Don Esteban sah nicht so aus, als würde er es genießen, denn auf seinem Gesicht spiegelten sich Zorn und Verachtung. Die jüngeren Gäste aber brachen jedes Mal, wenn Raul de Llorza den Bullen mit seiner Lanze traf, in Begeisterungsrufe aus. Zuletzt umrundete Don Raul das Rund im Galopp, ergriff dabei ein Schwert, das sein Diener ihm
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