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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hinhielt, und setzte sich an die Flanke des erschöpften Bullen. Die Klinge blitzte in der Sonne auf und bohrte sich tief in den Rücken des Tieres.
    Der Bulle blieb stehen, als wäre er gegen eine Wand gerannt, schrie noch einmal klagend auf und stürzte dann wie ein gefällter Baum zu Boden. Don Raul ritt um das tote Tier herum und lenkte sein Pferd dabei nur mit den Schenkeln. »So feiert man die Corrida de Toros in Kastilien«, rief er den Anwesenden triumphierend zu.
    Lea erinnerte sich an José Albañez’ Ausspruch, dass man Gott in diesem Land nach der Art der Karthager Menschenopfer darbringen würde. Das blutige Gemetzel, dessen Zeuge sie eben geworden war, kam ihr auch so vor wie ein heidnisches Ritual.
    Don Esteban schüttelte angewidert den Kopf. »Einem Bullen die Quasten von den Hörnern zu holen, ist ein fröhlicher Spaß für mutige Burschen, aber einen guten Stier sinnlos abzuschlachten, halte ich für Verschwendung.«
    Ihm war anzusehen, wie sehr ihn die Entfremdung seines Sohnes schmerzte. Auch einige andere ältere Gäste murrten über diese neuen kastilischen Sitten, die Jungen waren jedoch begeistert und ließen Don Raul hochleben. Leas Freunde de Poleur, de la Massoulet und von Kandern wirkten hingegen verstört. Sie waren die Jagd in den dichten Wäldern der Ardennen und des Schwarzwalds gewöhnt, und diese Art von Stierhatz war nicht nach ihrem Sinn. An diesem Abend sprachen sie denn auch zum ersten Mal davon, bald nach Granada zurückzukehren. Lea hatte nichts dagegen einzuwenden.
    So schnell, wie sie es beabsichtigt hatten, konnten Lea und ihre Freunde nicht aufbrechen, denn nach Weihnachten schlug das Wetter erneut um. Wieder regnete es heftig, und die Wege wurden für Reiter und Wagen unpassierbar. Ein Mann trotzte jedoch den Elementen – Pablo, der Mönch aus San Juan de Bereja. Er kam an einem späten Vormittag zum Gut, um mit Léon de Saint Jacques zu sprechen, was zum Glück niemanden zu Fragen veranlasste. Sein Bericht war kurz, aber zufriedenstellend. Rodrigo Varjentes de Baramosta und seine Begleitung hatten Ristellis Schiff Aquilone unbehelligt erreicht und waren bereits auf dem Weg nach Genua.
    Lea dankte Pablo für die Botschaft, bat ihn, Albañez die besten Grüße zu übermitteln, und verabschiedete sich erleichtert von ihm. Lange sah sie ihm noch nach, während er durch den Regen stapfte, dabei immer kleiner wurde und sich schließlich im Grau eines neuen Schauers auflöste. Ihr war um einiges leichter ums Herz, und sie hätte sich am liebsten in den Sattel geschwungen, um zu der Delegation der Burgunder zurückzukehren und damit dem Ende der Reise ein wenig näher zu kommen. Neujahr und Dreikönigstag vergingen jedoch mit starken Unwettern, und es dauerte noch eine weitere Woche, bis der Himmel aufklarte und die Erde trocknete.
    Den Rückweg mussten sie ohne Raul de Llorza antreten, denn der junge Edelmann hatte andere Pläne, als in die Schlacht um Granada zurückzukehren. Sein kühler Abschied zeigte, wie froh er war, die vier burgundischen Gäste loszuwerden, und die drei jungen Männer rätselten noch eine Weile, warum er sie überhaupt eingeladen hatte. Lea erfuhr von Thibaut de Poleur, dass Don Raul in den Diensten Luis de Santangels stand, des Verwalters der Privatschatulle König Fernandos von Aragon. Santangel gehörte zum Kreis um Medicaneli, das bestätigte Leas Vermutung, der Herzog habe seine Fäden gezogen, um ihr eine längere Abwesenheit von der burgundischen Gesandtschaft zu ermöglichen.
    Das unwirtlich kühle Wetter weckte in keinem von Leas Begleitern besonderes Interesse an der Landschaft, darüber war sie froh, denn ihr Kopf schwirrte zu sehr, um sich für bizarre Felsformationen oder malerische Herrensitze zu begeistern. Die Städte auf ihrem Weg blieben hinter ihnen zurück wie Schatten. Nur in Murcia verweilten sie einen Tag, damit de Poleur das Schwert kaufen konnte, nach dem er sich so sehr gesehnt hatte. Danach ging ihre Reise ohne Unterbrechung weiter.
    Als die kleine Gruppe sich bis auf zwanzig Léguas der Stadt Granada genähert hatte, kam ihnen eine andere Reisegesellschaft entgegen. Sie bestand aus zwei Männern, die zu Fuß gingen, und einem Knaben von vielleicht drei oder vier Jahren auf einem alten Maulesel, der auch das Gepäck der Leute trug. Leas Begleiter ritten an den Reisenden vorbei, ohne sich um sie zu kümmern. Sie selbst zügelte ihre Stute und starrte die Leute, die sich gegen die winterliche Kühle und den gelegentlichen

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