Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
und Sohn mit tadelnden Blicken. »Was sollen unsere Gäste von euch halten?«
    »Es ist nicht mein Streit«, brummte Don Esteban.
    Doña Estrella ließ nicht locker. »Wir sollten lieber daran denken, dass wir uns auf das Weihnachtsfest vorbereiten müssen. Es sind nur noch wenige Tage bis dorthin.«
    Es klang so mahnend und feierlich, dass Lea am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. Sie hatte die Festtage ihres Glaubens nicht begehen können, wie es sich gehörte, und sah sich nun gezwungen, an einer Feier zu Ehren des Mannes teilzunehmen, dessen Religion die Juden zu einem gejagten, erniedrigten und ständig gefährdeten Volk gemacht hatte. Am liebsten wäre sie noch vor Beginn der Festlichkeiten abgereist, doch wenn sie ihre Maske aufrechterhalten wollte, musste sie hier bleiben, in die Gebete der Christen einstimmen und ihr Knie beugen, wann immer der Priester es von ihr forderte.
    Um mit sich ins Reine kommen zu können, schützte sie Erschöpfung vor und bat, sich zurückziehen zu dürfen. Zum Glück erhielt sie einen Raum für sich allein, eine winzige Kammer, gerade groß genug für ein Bett und einen Stuhl. Doña Estrella entschuldigte sich, weil sie dem Herrn de Santiago nichts Besseres anbieten konnte. Es waren jedoch so viele Freunde und Verwandte erschienen, um das Weihnachtsfest mit dem Sippenoberhaupt zu feiern, dass alle anderen Schlafräume besetzt waren.
    Lea versuchte, die Hausherrin zu beruhigen. »Das Zimmer ist schön, und ich werde mich hier wohl fühlen.«
    Doña Estrella wirkte nicht sonderlich erleichtert. Offensichtlich glaubte sie es dem Rang des Gastes schuldig zu sein, ihn besser zu behandeln. »Wenn Ihr etwas benötigt, so ruft. Eine der Mägde wird sofort kommen und Eure Wünsche erfüllen.«
    »Ich danke Euch.« Lea neigte lächelnd den Kopf, atmete aber auf, als ihre gluckenhaft besorgte Gastgeberin sie endlich allein ließ.
    Lea wartete, bis die Magd ihr einen Krug Wasser und eine Schüssel gebracht hatte, und versperrte dann die Tür. Diese hatte zwar weder Schloss noch Riegel, doch Lea stellte den Stuhl so unter die Klinke, dass niemand unaufgefordert eintreten konnte. Danach machte sie sich bereit, ins Bett zu gehen. Es war erst später Nachmittag, doch sie fühlte sich nach dem langen Ritt und der Anspannung durch das Abenteuer in Bereja wie erschlagen.
    In der Nacht träumte sie wirr und sah nacheinander Baramosta, Orlando und sich selbst als Gefangene Montoyas. Der Herzog schäumte vor Wut und ließ diese vor allem an ihr aus. Während die Folterknechte der Inquisition sie mit glühenden Zangen quälten, verfluchte Lea sich, weil sie nicht mit an Bord von Ristellis Schiff gegangen war und Spanien verlassen hatte. In dem Moment schreckte sie auf und fand sich hellwach. Sie presste die Hand auf ihr rasendes Herz, starrte auf die im ersten Schein der Dämmerung dicht herangerückten Wände und glaubte sich tatsächlich im Kerker gefangen. Erst als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster in die kleine Kammer fielen, vermochte sie ihre Angststarre abzuschütteln und sich zu entspannen.
    Die Sonne verblasste bald in Dunstschleiern, und am späten Vormittag zogen dunkle Wolken über die Berge heran und hüllten das ganze Land in tristes Grau. Kurz darauf stürzte der Regen mit einer solchen Wucht vom Himmel, dass die Tropfen kniehoch von den Pfützen aufstoben. Don Esteban starrte grimmig hinaus und prophezeite, dass das schlechte Wetter noch etliche Tage anhalten würde.
    Raul de Llorza schnaubte wütend, denn die Pläne, die er für seine Gäste geschmiedet hatte, lösten sich in den vom Himmel fallenden Fluten auf. Ihm und den anderen jungen Herren blieb nichts anderes übrig, als sich um den Kamin zu versammeln und einander von ihren tatsächlichen oder eingebildeten Abenteuern zu berichten, mit denen sie sich eifrig zu übertrumpfen versuchten. Zu Don Raul hatte sich dabei eine Gruppe von jungen Edelleuten aus der Gegend gesellt, die seinen geschliffenen kastilischen Dialekt und seine modische Kleidung bewunderten und ihm im Duell der Worte gegen Thibaut de Poleur und dessen Freunde beistanden.
    Lea beteiligte sich nicht an diesem Wettstreit, sondern spielte mit ihrem Gastgeber Schach. Sie hatte das Spiel früher öfter mit Samuel gespielt, in den letzten Jahren aber keine Gelegenheit dazu gehabt. So gewann Don Esteban die ersten Partien. Bald aber wendete sich das Blatt. Auch wenn Lea ihren Gastgeber nicht jedes Mal übertrumpfen konnte, so war sie ihm, wie Don Esteban

Weitere Kostenlose Bücher