Die Goldhaendlerin
bezweifelte sie, dass Rittlage seine Schulden ohne Zwang zurückzahlen würde.
Diese Gedanken brachten sie wieder auf den Kern ihrer Probleme zurück. Sie verstaute die Papiere im Kasten und behielt nur den Brief ihres Vaters und die fremden Münzen zurück, deren genauen Wert sie noch einmal studieren wollte. Da sie nicht selbst zu den beiden Treuhändern reisen konnte, würde sie Jochanan und Saul schicken müssen. Kurz entschlossen holte sie Papier und Feder und begann zu schreiben. Ihre Hand Zitterte, als sie den Namen ihres toten Bruders als Absender einsetzte, doch sie wagte nicht, als Lea aufzutreten, denn sie ahnte, dass Ruben ben Makkabi und Zofar ben Naftali das Geld wohl nicht so ohne weiteres einem Mädchen aushändigen würden.
Sie beendete die Briefe, unterschrieb als Samuel und siegelte sie mit dem Petschaft ihres Vaters. Dann rief sie nach den beiden Dienern.
Wie gewohnt erschien Jochanan als Erster. »Der Wundarzt ist wieder gegangen. Meine Mutter hat Elieser einen Schlaftrunk bereitet, damit er die Schmerzen nicht so spürt. Er wird wohl nicht vor morgen früh aufwachen. Steer hat uns Hoffnungen gemacht, dass Elieser wieder ganz gesund wird.«
Hinter ihm trat Saul in den Raum und schüttelte bei Jochanans Worten den Kopf. »Das hat er nicht gesagt. Er meinte, dass Elieser, wenn er es überlebt, ein hilfloser Krüppel bleiben wird.«
Wütend über diese lose Rede spreizte Lea die Hände, überreichte Jochanan den Brief an Ruben ben Makkabi aus Augsburg und erklärte ihm, wohin er das Schreiben bringen musste. Dabei entging ihr, dass Saul das Geld auf dem Tisch mit begehrlichen Blicken betrachtete. Als der ältere Knecht den Brief an den Wormser Bankier zusammen mit Leas Anweisungen entgegennahm, tat er es mit scheinbar gleichmütigem Gesicht und niedergeschlagenen Augen.
»Ihr beide werdet morgen in aller Frühe aufbrechen, und wenn ihr bei unseren Geschäftsfreunden angekommen seid, ihnen die Briefe überreichen und so schnell wie möglich mit ihrer Antwort wieder zurückkehren.«
Saul verzog das Gesicht und starrte den Brief in seinen Händen an, als wollte er seinen Inhalt durch das feste Papier hindurch lesen. »Bis Worms ist es ein weiter Weg, vor allem, wenn man ihn zu Fuß zurücklegen muss.«
Lea hob eine Augenbraue. »Umso mehr ist Eile geboten! Wir haben nur vier Wochen Zeit, um unsere Privilegien bestätigen zu lassen. Unsere Geschäftspartner werden euch jeweils die Summe aushändigen, die mein Vater für den Fall seines Todes bei ihnen hinterlegt hat. Sie ist dafür gedacht, die Forderungen des Markgrafen zu erfüllen. Ihr müsst früh aufstehen, damit ihr bei Sonnenaufgang, wenn die Tore geöffnet werden, schon unterwegs sein könnt.«
Jochanan war offensichtlich froh, seinen Teil dazu beitragen zu können, um der Familie und mit ihr dem Gesinde die Heimat zu erhalten. Auch Saul schien sich mit seinem Auftrag abgefunden zu haben, wenn auch nur unter Vorbehalt. »Für einen Juden ist es nicht ungefährlich, in dieser Zeit zu reisen.«
»Deshalb werdet ihr beide vorsichtig sein und jegliches Aufsehen vermeiden. Küsst den Hintern eines Schweins, wenn es die Christen von euch verlangen, aber kehrt mit dem Geld zurück. Unser aller Überleben hängt davon ab.«
Jochanan nickte eifrig, während Saul skeptisch blieb. Mit einem Mal aber ging ein Lächeln über sein Gesicht, und er drängte auf einen noch früheren Aufbruch. »Es bleibt heute lange hell, und die Tore sind noch offen. Wenn wir gleich losgehen, hätten wir einige Stunden gewonnen.«
»Das ist keine schlechte Idee.« Lea öffnete einen der Beutel, die vor ihr lagen, und zählte jedem der Knechte die Summe ab, die sie für diese Reise benötigen würden. Dabei achtete sie darauf, ihnen nur Münzen geringeren Wertes zu geben, denn wenn einfach gekleidete Juden mit Gold zahlten, würde man sie des Diebstahls bezichtigen und vor einen Richter schleppen oder gleich auf der Stelle erschlagen. Die Knechte steckten das Reisegeld in ihre abgewetzten Lederbeutel und verabschiedeten sich von ihrer Herrin, um alles für ihren Aufbruch vorzubereiten.
Wenige Augenblicke später schoss Sarah mit empörtem Gesichtsausdruck ins Zimmer. »Was habe ich gehört? Du willst Jochanan und Saul fortschicken? Dann haben wir keinen Mann mehr im Haus, der das Kaddisch für die Toten und das Sabbatgebet sprechen kann!«
Lea schob das Kinn nach vorne. »Es ist immer noch Elieser hier, und er ist, wenn du dich recht erinnerst, ebenfalls
Weitere Kostenlose Bücher