Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Verlauf mehrere Jüdinnen in einen Fluss geworfen worden und hilflos ertrunken waren. Um sie vor einem solchen Schicksal zu bewahren, hatte ihr Bruder sie zu einer einsamen Stelle an der Sarn mitgenommen und ihr die Grundbegriffe des Schwimmens beigebracht. Sarah hatte sie jedoch entdeckt und ihnen gedroht, es den Eltern zu berichten, die einen solchen Verstoß gegen die Sitten schwer bestraft.
    Mehr als alles andere wünschte Lea sich, Samuel wäre noch am Leben. Er hatte ihr näher gestanden als irgendein anderer Mensch, ja sogar näher als ihre verstorbene Mutter, und sie war fest überzeugt, dass er den Platz seines Vaters ohne größere Probleme eingenommen hätte. Aber Samuel war tot, und das Schicksal ihrer Angehörigen hing ganz allein von ihr ab. Nach einigem Zögern begann sie am zwölften Tag nach der Abreise ihrer beiden Knechte Vorbereitungen zu treffen, um dem Strudelloch in der Schlucht den Gegenwert von dreitausend Gulden zu entreißen.
    Als Erstes benötigte sie Kleidung, die sie beim Schwimmen nicht behinderte. Männer tauchten in der Regel nackt oder nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Das aber konnte sie sich trotz ihrer noch recht schmalen Hüften nicht leisten, denn sie besaß bereits genügend Busen, um auch auf eine gewisse Entfernung als Mädchen erkannt zu werden. Kurz entschlossen ging sie in Samuels Kammer, die neben dem Zimmer ihres Vaters lag, und suchte sich unter seinen Sachen ein festes Unterhemd und eine Hose mit angebundenen Beinlingen heraus, die er im Winter unter dem Kaftan getragen hatte. Der Stoff würde nicht nur ihre Figur verbergen, sondern sie auch davor bewahren, ihre Haut an den Felsen zu zerkratzen. Im Zimmer ihres Vaters zog sie sich um und räumte den Tisch ab. Sie wollte die Schwimmbewegungen, die Samuel ihr beigebracht hatte, erst einmal auf dem Trockenen üben, bevor sie ins Wasser stieg.
    Angelockt von den ungewohnten Geräuschen tauchte Sarah auf und fand Lea in unziemlicher Kleidung bäuchlings auf dem Arbeitstisch liegen und mit Armen und Beinen seltsame Bewegungen vollführen.
    »Aber Kind! Was ist denn in dich gefahren?« Die Wirtschafterin sah sich dabei so ängstlich um, als fürchte sie, ein Dämon hätte sich in das Zimmer des toten Hausherrn eingeschlichen, um jedem, der sich darin aufhielt, die Sinne zu verwirren.
    »Ich will schwimmen lernen«, antwortete Lea, ohne innezuhalten.
    »Auf dem Tisch?!« Sarah versuchte, Lea mit einem spöttischen Lachen das Verrückte ihres Tuns vor Augen zu führen, aber ein Blick ihrer Herrin ließ sie verstummen.
    »Im Wasser versuche ich es heute Nachmittag. Nach dem Essen werde ich eine Stelle suchen, an der mich niemand beobachten kann. Samuel konnte schwimmen, und ich habe Angst, dass es auffällt, wenn ich es nicht kann.« Das war keine gute Ausrede, aber Lea fiel auf Anhieb keine andere ein.
    »Unsinn!«, antwortete Sarah auch sofort. »Wer sollte von Samuel verlangen, dass er schwimmen geht? Ach, Kind, ich weiß ja, dass du alles perfekt machen möchtest, aber du kannst dich nicht mit Haut und Haar in Samuel verwandeln. Du solltest die Täuschung nicht länger aufrechterhalten, denn der Markgraf oder sein Sekretär werden deine Maskerade eher früher als später durchschauen.«
    Lea schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Die meisten Menschen nehmen nur das wahr, was sie zu sehen glauben, und zu denen gehört auch unser durchlauchtigster Landesherr. Er wird nur das Gold anschauen, das ich ihm bringen werde. Aber noch haben wir es nicht, und ich habe Angst, dass Jochanan und Saul nicht früh genug zurückkehren. Daher muss ich schwimmen lernen, denn ich will den Hort in der Klamm bergen.«
    Sarah hatte sich gerade gebückt, um die Büchse mit den Pinseln und Schreibfedern aufzuheben, die Lea achtlos auf den Boden gestellt hatte. Bei Leas Worten glitt ihr das Gefäß aus den Händen und verteilte seinen Inhalt über den Boden. »Beim Gott Abrahams, Isaaks und Israels, bist du wahnsinnig geworden?
    Ich sollte dich in den Keller sperren, bis du wieder Vernunft angenommen hast. Abgesehen davon, dass allein der Gedanke, halb nackt im Fluss herumzuplanschen, ungehörig ist, willst du auch noch in die Felsenmühle eintauchen? Dort sind schon erwachsene Männer untergegangen, und die, die geborgen werden konnten, sahen aus, als wären sie von teuflischen Ungeheuern zerrissen worden. Was meinst du, was der Markgraf mit uns macht, wenn an Samuels Stelle ein totes Mädchen aus dem Wasser gezogen wird?«
    Lea richtete

Weitere Kostenlose Bücher