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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dieser Sprache gelernt hatte, benötigte sie die Notizbücher, die ihr Vater und ihr Großvater in langen Jahren sorgfältig mit guter Tinte und einer klaren Handschrift gefüllt hatten. Hier fand sie nicht nur viele Ausdrücke des Handelslateins, sondern auch die wichtigsten Begriffe aus anderen Sprachen, die oft in die Briefe eingestreut waren. Baramostas Brief enthielt eine unangenehme Überraschung. Er sei nicht mehr in der Lage, seine Geschäfte weiter von Sevilla aus zu führen, schrieb er, das Geld, das Samuel bei ihm angelegt habe, sei jedoch sicher und würde zu einem späteren Zeitpunkt mit Zins und Zinseszins zurückerstattet werden. Aber er teilte ihr nicht mit, wohin er umziehen wollte, und gab ihr auch nicht die Adresse eines anderen Gewährsmannes an, wie es sonst üblich war.
    Lea konnte nur hoffen, dass der Spanier Wort hielt und sich wieder meldete. In ihrer jetzigen Situation war sie auf jeden Heller angewiesen, den sie auftreiben konnte. Sie legte Baramostas Brief ärgerlich beiseite und nahm das nächste Schreiben zur Hand. Sie las jedoch nicht, sondern versank wieder ins Grübeln. Da der Markgraf versuchen würde, so viel wie möglich aus ihr herauszupressen, musste sie sicherere Anlagen für das Geld finden, das ihr noch blieb, und über den doch recht eingeschränkten Kreis ihrer jetzigen Geschäftspartner hinweg neue Verbindungen aufbauen. Von nun an würde sie alles tun, um weit weg von Hartenburg und auch weit weg von dem Einfluss, den Ruben ben Makkabi in der ihr bekannten Geschäftswelt ausübte, neu anfangen zu können.
    Als sie überlegte, wo sie ansetzen sollte, kam ihr zu ihrer eigenen Verblüffung Roland Fischkopf in den Sinn und der Rat, den er Simeon ben Asser gegeben hatte. Jetzt ärgerte sie sich, dass sie sich den Namen und die Adresse seines Antwerpener Gewährsmannes nicht notiert hatte, denn dann hätte sie sich direkt an den Mann wenden können. Im Gegensatz zu dem Augsburger Kaufmann wollte sie sich stärker am Englandhandel beteiligen, auch wenn es auf der Insel keine Juden mehr gab. Die englischen Kaufleute fragten nicht danach, ob das Geld, das sie erhielten, von christlichen Handelspartnern oder den Söhnen Judas stammte.
    Wie Lea es auch drehte und wendete – es gab keinen anderen Weg. Sie durfte nicht mehr nur mit jüdischen Landsleuten Geschäfte treiben, sondern musste ihr Geld überall dort arbeiten lassen, wo es Zinsen brachte. Andernfalls würde ihr Landesherr sie bis aufs Mark aussaugen und sie davonjagen, so dass die Familie Goldstaub irgendwo im Schmutz der Landstraße endete.
    Als Sarah eine Stunde später hereinkam, fand sie Lea mit einem bösen Lächeln über ihre Korrespondenz gebeugt. Die alte Frau verkrampfte die Hände vor der Brust und richtete ein Stoßgebet gen Himmel. »Gott Abrahams, schütze Lea und uns alle! Lass nicht zu, dass Jakobs Tochter sich schon wieder in Gefahr bringt!«
    Leas Miene verriet nicht, ob sie die Worte gehört hatte. Aber als sie den Brief weglegte, in dem sie gerade gelesen hatte, und zu ihrer Dienerin aufsah, wirkte ihr Lächeln beinahe übermütig.
    »Bring mir mein Essen hierher, Sarah. Ich muss noch arbeiten und habe keine Zeit, mit der Familie zu speisen.«
    Sarah zuckte zusammen und starrte Lea an, als wäre ihr ein Gespenst begegnet. Diese Worte hatte sie so oft von Jakob ben Jehuda gehört, dass sie zu glauben begann, der Geist des Vaters sei in die Tochter gefahren.

Vierter Teil

    Der Herzog von Burgund

1.
    Es gab Tage, an denen Lea ihre Rolle als Samuel Goldstaub verfluchte. Den heutigen aber empfand sie als besondere Strafe Gottes für ihre Vermessenheit, einen Mann darstellen zu wollen. Um ihr wahres Geschlecht vor fremden Augen zu verbergen, trug sie über ihrem Kaftan einen weiten Wollmantel, und nun brachte die schwüle Hitze, die das Land in einen Backofen verwandelte und jeden Atemzug zur Qual machte, sie beinahe um. Der Schweiß rann ihr in Bächen über den Rücken und verursachte ein höllisches Jucken zwischen ihren Schulterblättern, ihr Gesicht tropfte, und ihre Augen brannten, als hätte sie sie mit Salz eingerieben.
    Für Lea war es kein Trost, dass Jochanan nicht weniger litt als sie. Er ächzte unter der Last einer doppelt so schweren Kiepe und hatte, damit seine Herrin nicht auffiel, ebenfalls darauf verzichtet, den Mantel auszuziehen. Zu leicht hätte sich ein anderer Wanderer fragen können, warum der eine Jude sich bei der Hitze vermummte und der andere nicht. Leas Kaftan klebte jedoch wie

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