Die Goldmacherin Historischer Roman
Hände vor der Brust zusammen. »Warum willst du mir überhaupt jetzt schon etwas schenken?« Eigentlich war es doch erst nach der Verlobungszeremonie im Zunfthaus angemessen, wenn auch alle anderen die Geschenke überreichten.
»Weil du meine beste Freundin bist«, sagte Rahel betont
fröhlich. Doch ihr Blick blieb auf das Fläschchen gerichtet, das sie in ihren Händen hielt.
Aurelia spürte, dass etwas nicht stimmte. Rahel spielte ihr sonst nie etwas vor. »Wir haben doch nie Geheimnisse voreinander. Sag mir die Wahrheit.«
Rahels Stimme war kaum zu hören. »Ich darf morgen nicht ins Zunfthaus kommen.«
Aurelia zuckte vor Schreck zusammen, so dass das Ende ihres Haarzopfs über den Zuberrand ins Wasser glitt. »Wer hat das verboten?«
»Mein Vater«, schluchzte Rahel.
»Wie bitte? Aber wieso?« Das konnte nicht stimmen. Der alte Nathaniel war ein guter Mensch. Er hatte ihrem Vater eine Miniatur aus dem Welschland abgekauft, die sie bei der Flucht aus Köln gerettet hatten. Mit dem Geld hatten sie in Mainz wieder anfangen können. Aurelia nahm die Arme von der Brust. »Ohne Grund verbietet dir dein Vater doch nichts.« Da musste etwas anderes dahinterstecken.
Rahel umarmte Aurelia, wobei ihre gelben Ärmelaufschläge feucht wurden. »Ich weiß nicht einmal, ob ich dir das sagen darf. Ich will dir doch nur gutes Bracha bringen.«
Aurelia spürte, wie unterdrückte Schluchzer ihre Freundin schüttelten. Sie strich ihr mit den nassen Fingern über den Kopf. »Rahel, was ist denn bloß geschehen?«, fragte sie sanft.
»Der Zunftmeister der Schriftsetzer ist gestern Abend zu meinem Vater in die Stube gekommen. Sie haben alle hinausgeschickt, aber ich habe mit meinen Schwestern gelauscht.« Rahel trocknete sich die Tränen an Aurelias Badetuch. »Sie haben ein bisschen geschwätzt wie immer beim Handeln. Der Zunftmeister hat sogar erst noch ein Pferd von meinem Vater gekauft, das er wohl ein paar Tage vorher im Stall begutachtet hat. Aber dann …« Rahel schluckte die Wut hinunter, die sich in ihre Stimme geschlichen hatte. »Der Zunftmeister hat seltsam
leise und langsam gesprochen: ›Deine Tochter, Jud’, wollen wir Schriftsetzer nicht im Zunfthaus sehen, wenn übermorgen die Jungfern der Aurelia den Hefezopf bringen, wie es der Brauch will.‹« Rahel stierte in die dunkle Ecke unter dem Fensterchen.
»Dieser Mann herrscht wie ein Graf über die Zunft«, sagte Aurelia. Sie hatte es oft genug in der Druckerei beobachtet. Aber Nathaniel war doch als Pferdehändler nicht aufs Maul gefallen. »Was hat dein Vater geantwortet? Ich muss alles wissen, um meiner und Romualds willen.« Sie könnte es ihm nie verzeihen, wenn er davon gewusst hatte, ohne es ihr zu sagen.
Rahel holte Luft. »Mein Vater hat gesagt: ›Wenn eure Männer auf einmal ein schönes Gesicht im Zunfthaus stört, so bleibt meine Tochter daheim.‹«
Alle Welt wusste, dass sich gerade der Zunftmeister zu den Feiern gern mal eine lose Frau mit roter Kappe ins Zunfthaus holte. Aurelia war froh, dass Nathaniel die Beleidigung heimgezahlt hatte. »Und weiter?«
»Nicht viel. Der Meister hat nur kurz gelacht und gesagt: ›Glaubst du, Jud’, dass mich das stört? Eine Alchemisten-Tochter im Zunfthaus reicht schon. So höllenschön, wie sie ist, gilt Meliorus’ Tochter bei unseren Weibern schon als halbe Hexe. Wenn ich den Ehefrauen bei der Verlobung dazu ein neunmalkluges Judenmädchen wie deine Tochter zeige, dann kommt keine von den ehrbaren Weibsleuten zur Verlobung. So wie meine Frau herumgekeift hat, glaube ich ihr das. Wenn du Ruhe mit dem Rat haben willst, halt dich dran, Nathaniel.‹ Dann ist er gegangen.«
Aurelia stach es ins Herz. Es war grausam, zwischen der Liebe zu Romuald und der Freundschaft zu Rahel wählen zu müssen. So gerne hätte sie ihr Glück mit beiden geteilt.
Rahel berührte sie sanft an den Schultern. »Du fühlst dich ja ganz eisig an, tauche lieber ein.«
Aurelia fröstelte wirklich, aber aus Wut, die ihren Leib durchrieselte. Die Frauen der Schriftsetzer wollten sich an ihr rächen. Wenn sie schon eine Verlobung nicht hatten verhindern können, so versuchten sie jetzt, ihr wenigstens auf diese Weise die Feier zu vergällen. »Wir müssen es sofort meinem Vater erzählen, vielleicht kann er …«
Rahel schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre Haube verrutschte. »Auf keinen Fall.« Sie drückte Aurelia zurück ins heiße Wasser.
»Warum denn nicht?« Noch hatte Vater sein Silber nicht hergegeben.
»Mein
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