Die Goldmacherin Historischer Roman
zu fühlen, dass es auch Aurelia, wo immer sie war, gerade nicht schmeckte. So wie ihm nichts schmeckte, seit er begriffen hatte, wie sehr sie beide von den adeligen Herren mit falschen Versprechungen hereingelegt worden waren.
Romuald hatte gestern Kuno, dem neuen Boten des Kaiserhofs, das Nachtlager gerichtet, Wein gebracht und ihn dabei ausgehorcht. Der lange Kerl war erst seit zwei Wochen am Hofe, und ein Weib mit rotgoldenem Haar gebe es nicht bei der Kaiserin, sagte er, nicht mal bei den Gesindeweibern. Romuald steckte ein Schluchzen im Schlund. Wem entginge schon eine so schöne Frau? Aurelia war also schon fortgeschafft worden. Er hatte kaum den Wein austrinken können, so widerwärtig waren ihm die lüsternen Geschichten geworden, die ihm der Bote von den Speichern am Hofe aufgetischt hatte. Drei, vier auf einmal kannst du haben , hatte Kuno geprahlt.
Mittlerweile war Romuald davon überzeugt, dass von Rüdesheim von Anfang an vorgehabt hatte, Aurelias Schönheit für seine Zwecke zu nutzen und sie zu verschachern. Nur, um
sie ruhig zu halten, hatte er Romuald im Tross mitfahren lassen. Kein unsicheres Geschäft für den Legaten, denn für schreibkundige Kämpfer zahlte das Heer gut. Das wusste er jetzt.
Romuald kaute auf dem Stück Schweinshaxe, es nährte seinen Leib, wärmte den Bauch, mehr nicht. Er blickte über die heißen, aufgeschichteten Steine, wo die Köche das gebratene Fleisch warm hielten. Was wollte er hier noch, zwischen all den rohen Kerlen, die fraßen wie Säue im Koben und sich die Bierkrüge nicht gönnten, die nicht lesen und schreiben konnten? Die meisten Söldner vermochten nichts anderes als mit einer Waffe in der starken Faust draufzuschlagen, für ein paar Münzen, gleich wessen Blut es kostete.
Was wollte er überhaupt noch im Leben? Nicht einmal der vertraute Rhein zu Mainz lockte ihn noch, seine Mutter und Schwester schienen so fern, so unwirklich – zumal sie immer gehetzt hatten, Aurelia bringe ihm kein Glück. Nein, er würde nicht heimkehren, er wollte nicht täglich in ihren Augen gespiegelt sehen, wie sie recht zu haben glaubten. Sie würden niemals begreifen, dass man Aurelia in eine Ehe gezwungen hatte. Adelsgeile Hure – wie lange würde es wohl dauern, bis seine Schwester derlei zischte?
»Ein voller Teller, wie das?« Der Hufschmied Oswin hockte sich im Halbdunkel auf den Baumstamm neben Romuald und stützte sich mit den dicken Armen auf seine lange Lederschürze. Er schaute hinüber zu den Zelten der Herren, wo Mückenschwärme im Feuerlicht tanzten.
»Magst du es haben?« Romuald reichte ihm den Holzteller.
Oswin kratzte sich am Bauch. »Habe schon zu viel gefressen. Was bleibt einem auch sonst.«
Romuald stellte den Teller neben seine Stiefel auf die Erde. »Soll sich wenigstens ein Hund der Marketenderinnen dran freuen.«
»Warum isst du nicht?« Oswin legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ist dir nicht wohl?«
Der Schein der Feuer im Lager reichte wohl nicht aus, damit Oswin die Trauer in Romualds Gesicht lesen konnte. »Nein«, antwortete er. »Ich bin nicht krank.«
Oswin war aus Nürnberg gebürtig und schon lange beim Kaiser im Sold. Schnell hatte Romuald mitbekommen, dass der Hufschmied lesen konnte und sich seinen eigenen Reim auf die Reichshändel machte. Oswin besaß sogar Bücher, einen Alexander von Hartlieb hatte er Romuald geliehen für die lange Fahrt, als das Heer gegen Wien zog.
Er fuhr Romuald über die Haare und ließ ihn dann los. »Was ist dann mit dir?«
Romuald drückte es den Hals zu, wie schon seit Stunden, aber es drängte ihn auch, sich endlich jemandem anzuvertrauen. »Meine Verlobte …« Er holte Luft und bekam die Zähne doch nicht auseinander.
»Aurelia? Ist sie …« Oswin legte die schwieligen Hände auf die Lederschürze. »Tot?«, flüsterte er.
»Nein. Doch.« Romuald hielt sich den Kopf. »Für mich jedenfalls. Die Herren haben sie sich genommen.«
»Scheißkerle.« Oswin spuckte aus. »Wenn wir ihnen nicht mit unserem Blut die Burgen erkämpften, wer wären sie dann? Nicht mehr als Hundsdreck.«
Romuald war Oswin, der nach Esse und Pferdehuf roch, ganz nah und doch fern, als sähe er ihn aus großer Weite. »Für die kämpfe ich nicht mehr …«, flüsterte er.
»Pass nur auf, mein Freund. Mitten im Feldzug kannst du nicht einfach gehen, sonst stellt der Herzog Wilhelm dich in die erste Reihe. Dann bist du gleich tot, wenn er befiehlt, die Vorwerke Wiens zu stürmen.«
»Es ist mir gleich, wann ich
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