Die Goldmacherin Historischer Roman
Atem, als sie die Tür offen stehen fand. Dann erblickte sie Schuhe, feste Waden und eine knappe braune Hose, und atmete erleichtert aus. Es war nur Wastl, ihr neuer junger Diener, fast noch ein Kind, mit einem eckigen Muttermal auf dem Kinn. Er machte jetzt für sie rein und brachte ihr in der Frühe Milch und Brot.
Wastl hielt im Kehren inne. »Heliodor! Man sucht Euch überall.«
»Wieso?«, presste sie atemlos hervor und sank gegen den offenen Rahmen der Tür ihrer Stube.
»Weiß ich nicht.«
Er war zwar lieb, aber nicht besonders schlau. »Wer sucht mich denn, Wastl?«, fragte sie sanft. Würde sie streng, ängstigte er sich nur und fing zu weinen an.
»Der Guntram war’s.«
Der Gesinde-Meister selbst? Er hatte seine Leute im Griff. »Und wann?«, fragte Aurelia.
»Vorhin, als ich den Gang vorm großen Saal gefegt habe.«
Wastl kam immer zuletzt zu ihr unters Dach. Eine Stunde mochte vergangen sein oder zwei, seit der Meister Guntram sie gesucht hatte. Aurelia trat zu ihrem Schrank. Der Knabe hockte auf Knien und stocherte mit dem Besen unter dem Bett. »Was macht Ihr jetzt, Heliodor?«
»Ich ziehe eine saubere Jacke und ein frisches Hemd an.«
Dafür brauchte sie keinen Zeugen. »Lass das Fegen sein, mach es das nächste Mal.«
Er sprang auf und drückte sie kurz am Arm. »Danke Herr, dann bin ich drunten mit dem Wäschelegen schneller fertig.«
Sie hörte ihn die Stiege hinunterhüpfen.
Aurelia wusch sich eilig und legte frische Kleider an.Waren denn heute alle hinter ihr her? Wenn Guntram nach ihr schickte, würde sie sicher bei der hohen Familie selbst erscheinen müssen.
Die hochgewachsene Gestalt des Kaisers füllte die schmale Gebetbank. Er wandte ihr den Rücken zu. Aurelia vernahm ein Geräusch, als würde ein Stundenbuch zugeklappt. Hatte sie nicht eines hier liegen sehen, vor den paar Nächten?
Der Kaiser wandte sich um. Sein Tagesmantel war prächtig, blauer Samt wallte zu Boden, statt Ärmeln bauschte sich das feine Leinen des Hemdes, silberne Kordeln folgten den Säumen.
»Heliodor«, sagte er ganz tonlos. Er winkte dem Gesinde-Meister, der hinter ihr an der Pforte der Hauskapelle stand. Guntram hatte sie sofort hierhergeführt, kaum dass sie die Nase in sein Gelass bei der Kaiserwohnung gesteckt hatte. »Lasst uns allein. Die Wache soll niemanden außer der Kaiserin hereinlassen.«
»Sehr wohl, Majestät.«
Die Pforte fiel ins Schloss. Der Blick des Kaisers war seltsam verschleiert, die Wangen regungslos, fast hingen sie wie von Erschöpfung tief wie bei einem weißhaarigen, alten Mann.
»Meine Gemahlin wird nicht kommen. Sie musiziert bei der Kleinen Prinzessin, damit ihr die Schwermut vergeht.«
Hörte Aurelia in seiner Stimme Untertöne, die es gar nicht gab, hörte sie darin ihr eigenes schlechtes Gewissen? Mehrfach in den letzten Tagen hatte die Prinzessin ihre Leibdienerin zu
ihr um die Heilsalbe geschickt, und jedes Mal hatte sich Aurelia eine andere Ausrede ausgedacht, warum sie jetzt noch keine mischen könne. »Die Prinzessin wird bald wieder gesund werden, Majestät.«
»Euer Wort, Goldmacher, wiegt in meinem Ohr schwerer als das meines Medicus, der jetzt gar ein langes, sieches Jahr für meine geliebte Tochter voraussieht. Ich würde Euch gern glauben.«
Wie kam der Hofarzt auf eine so abwegig lange Heilungsfrist? Hatte Fürst Laszlo den Medicus bestochen, damit aus der ungarischen Hochzeit, von der die Prinzessin träumte, so schnell nichts wurde? Aurelia verneigte sich nur vor dem Lob. Sie wagte kaum zu hoffen, dass ihre Angst unbegründet war.
»Hüllt Euch in dies Tuch.« Der Kaiser wies auf ein Stück dicken schwarzen Samts, das aufgerollt auf dem edlen Gestühl der Kapelle lag.
Vorsichtig, damit ihr falsches Haar nicht verrutschte, warf sie das Tuch über sich. Es fiel bis zum Boden, kein Lichtstrahl drang hindurch.
»Dreht euch zehnmal im Kreis!«
Durch den dicken Samt hörte sie den Befehl des Kaisers nur gedämpft.
»Bückt euch.Tiefer! Macht drei kleine Schritt nach vorn.«
Himmel, er leitete sie durch die verborgene Tür in der Kapellenwand.
»Hebt das Tuch.«
Ganz vorsichtig, weil der Bart im Samt festhing, hob sie das Tuch. Sie stand wirklich in der von mannshohen Kerzen erleuchteten Schatzkammer. Quälte der Kaiser sie, wollte er sie etwa prüfen? Verrat dich nicht selbst! Aurelia gab sich einen Ruck, riss den Mund auf und starrte auf den Tisch mit den Perlen. »Ich … ich … mein Kaiser, ich habe noch nie solche Schätze
Weitere Kostenlose Bücher