Die Goldmacherin Historischer Roman
»Kennt Ihr, mein Kaiser, auch die okkulte Bedeutung, die das Signum für Euch als Imperator hat?«
Der Kaiser zuckte verwundert zurück und machte einen Schritt auf den Goldtisch zu, drehte sich aber mit dem Rücken zu seinem goldenen Schatz. »Sprecht, was immer Euch auf der Zunge liegt.«
»Oft deutet man Euren Wahlspruch so: Augustus est iustitiae optimus vindex . Der Kaiser ist der beste Beschützer der Gerechtigkeit.« Aurelia ließ sich von den flüsternden Stimmen in ihrem Geist leiten.
»Das hört die Kirche nicht gern, die sich selbst an diesem Platz sieht«, sagte der Kaiser und verzog den Mund. »Als Alchemicus müsstet Ihr es besser wissen.«
Aurelia entgegnete: »Oh ja. Es gibt sehr wohl eine Bedeutung, die nur mit der Alchemia zu tun hat.«
Der Mund des Kaisers stand ein wenig offen, seine Augen weiteten sich vor Unglauben. »Ihr wisst mehr als ich! Seid Ihr ein Seher?«
Aurelia verstand nicht genau, was der Kaiser meinte. Gab es denn noch mehr Rätsel um das Signum? Sie setzte ein wissendes Lächeln auf, schwieg aber vorsichtshalber.
»Niemals habe ich einer Menschenseele verraten, dass ich in einer schweren Nacht, von Alpträumen und Kopfweh gequält, dies Signum geträumt habe.« Der Kaiser stützte sich am Rand des Goldtischs bei den drei verschieden goldenen Frauen auf und sah Aurelia immer noch mit großen Augen an.
Obwohl der Kaiser nun etwas Wichtiges von ihr erwartete, war Aurelia gar nicht bang, die Kraft eines Geistes hatte sie erfasst, der durch sie sprechen wollte. Sie hob beide Arme wie ein Priester vorm Altar. »Die wahre Bedeutung für Euch, der Ihr in Euren Kellern nach den Geheimnissen der Welt forscht, lautet so.« Sie überließ sich ganz der warmen Kraft, die sie überströmte, bis in ihre Fingerspitzen hinein. » Alchemia est imperator omnipotens ubique . Durch die Alchemie bezwingt der Kaiser alles in der Welt.«
Der Blick des Herrschers irrte in seiner Schatzkammer umher, bis er langsam zu Aurelia zurückfand. In seinen Augen lag auf einmal ein Begreifen. »Deshalb fasziniert mich die Alchemie so sehr!«
»Sie ist der Schlüssel zu Eurer Macht auf Erden, Majestät.«
Der Kaiser schloss die Augen wie beim Rosenkranzgebet und faltete die Hände dabei. »Endlich verstehe ich den schrecklichen Traum«, murmelte er. Ein Lächeln, fast glückselig, machte sich in seinem Gesicht breit.
Aurelia hatte kein Gefühl dafür, wie lange er so versunken vor dem Tisch mit seinem Goldschatz stand. Doch nach einer Weile öffnete der Kaiser die Augen und klatschte leicht in die Hände. »Ihr ahnt nicht, welche Zweifel Ihr damit von mir nehmt.« Er ging schon voran bis zu den Gemälden in der Wandtäfelung. »Wenn Euch das Geheimnis meines Signums offenbar ist, so werdet Ihr diese Tür nicht lange suchen müssen.
« Er schloss auf und wies aus der Schatzkammer hinaus in die Kapelle.
Aurelia zog es vor, nichts zu sagen, sondern nahm einfach das schwarze Samttuch unter den Arm. Sie schlüpfte in die Kapelle. Der Kaiser drehte hinter ihnen den fedrigen Schlüssel in dem in der Wandbemalung verborgenen Schloss.
»Dafür belohne ich Euch, wie es einem Kaiser gebührt.« Er entriegelte die Pforte. »Guntram?«, rief er hinaus.
Statt Erleichterung zu empfinden, dass der Kaiser nichts von den fehlenden Goldfiguren gemerkt hatte, quälte Aurelia mit einem Mal ein heftiger Drang der Blase.
»Kommt, Heliodor. Einen hübschen Freiherrnsitz will ich Euch finden. Damit belehne ich Euch, sobald die Prinzessin gesundet ist. Margret liebt diese Zeremonie für die Verleihung eines Lehens. Ihr habt ihre ehrende Anwesenheit mehr als verdient.«
Die Wache präsentierte Spieß und Dolch. Der Kaiser achtete nicht weiter darauf. »Guntram? Wo steckt der Kerl nur? Nie ist er da, wenn ich ihn brauche. Kommt mit zu Tisch, die Kleine Prinzessin muss es erfahren.«
Wie sollte sie nun Margret die Stirn bieten? Aurelia taumelte mehr, als dass sie ging, dem freudig davoneilenden Kaiser hinterher.
50
R omuald spuckte den Strunk neben sich auf die Erde. Die Köche schnitten den Wurzeln nicht mal mehr richtig das Ende ab. Selbst das knusprige Stück Schweinshaxe in seinem Holzteller schmeckte ihm nicht. Romuald ekelte sich mit einem Mal vor dem Fleisch neben dem Weizenstich. Aurelia aß bestimmt jetzt von Steinwerk in der Burg am Rhein, bei den Grafen hielt man auf edles Geschirr.
Wenigstens war es längst dunkel, so dass niemand in seinem Gesicht lesen konnte, wie es um ihn stand. Ein wenig vermeinte Romuald
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