Die Goldmacherin Historischer Roman
auf.
Aurelia knallte schon den Türflügel hinter sich ins Schloss, gewann ein paar Schritte Vorsprung zu den Wachen, rannte, rannte durch den verwaisten Gang an den Stuben der Zofen vorbei. Ein Spieß sauste an ihrem Kopf vorbei, traf die Steinwand, prallte ab und fiel ihr fast in die Füße.
»Haltet sie!«, brüllte der Kaiser, dessen tiefe Stimme von allen Seiten im Gewölbe des Ganges widerhallte.
Aurelia lief, lief und lief. Sprang, immer drei Stufen auf einmal nehmend, die nächste Treppe hinab.Wo sollte sie nur hin?
Unten an der Treppe zerrte sie den erstbesten Wandbehang im Gang herab, knüllte den Stoff zusammen und warf ihn den Verfolgern auf den Stufen zwischen die Beine.
»Verdammt!«, schrie einer, stolperte und kippte vornüber.
Sie hörte die anderen unter Schmerzensgeschrei übereinanderstürzen. Aurelia beschleunigte ihre Schritte. Ein frischer, reiner Geruch lag in der Luft. Eine Tür stand offen, etwas Weißes schimmerte dort … Das Waschhaus! Sie stürmte hinein. Sechs oder sieben Bottiche waren mit Wäsche gefüllt, einer war noch leer, aber schon voll kaltem Wasser zum Klarspülen. Zuber reihten sich vor dem Becken an der Wand entlang, wo ständig ein wenig Wasser durch eine Fuge rann. Das Feuer unter den Kesseln war niedergebrannt, die Wäscherinnen waren alle zur Waffenhilfe beim Brunnenhaus eingeteilt, falls gelöscht werden musste.
Gnade ihr Gott, hier heraus gab es keine weitere Tür! Aurelia rannte bis zum Fenster und klappte den Flügel auf.
Das nächste Dach – das der Ziegenställe an der Burgmauer – lag tief, und die Ziegel dort brachen gewiss unter ihrem Gewicht. Aurelia schlüpfte aus ihrem Mantel, das Pergament mit Romualds Entlassungsbefehl fiel heraus. Sie warf den Mantel so weit sie konnte, er segelte vorn an den Rand des Ziegenstalls.
»Dort vorn muss sie sein!«, brüllte es im Gang aus mehreren Kehlen.
Aurelia stieß das Pergament mit der Schuhspitze tief unter einen Schemel, über dem Tücher hingen. Himmel hilf, betete sie. Dann stieg sie über das Wäscherinnenbänkchen über den Rand in den erstbesten Bottich. Welch Glück, das Wasser war noch warm. Nicht zu schnell, sonst schwappt es und verrät dich , ermahnte sie sich selbst, holte tief Luft und glitt sacht zwischen die weißen Betttücher. Der Stoff ihres Hemdes, die Hosen, alles sog sich sofort voll, wurde schwer und zog sie zum Boden
des Bottichs. Aurelia griff einfach ein nasses Tuch und legte es sich über das Gesicht, so dass sie nur noch einen milchigen Schimmer im Wasser sah.
Dumpf hörte sie Schritte im Waschhaus. » Hier ist sie nicht«, sagte eine Stimme. » Schau, das Fenster – unten liegt der Mantel!«
Aurelia spürte den Druck in der Lunge, das Blut, das ihren Kopf gleich platzen ließe.
» Ob die Hexe fortgeflogen ist?«
Der milchige Schein schimmerte rötlich, sie brauchte Luft, Luft!
» Unfug, die ist über das Dach gesprungen runter zu den Ziegen und läuft auf der Mauerkrone. Schnell, sonst springt sie in den Graben und schwimmt durch den Überlauf davon!«
Dröhnend entfernten die Schritte sich.
Aurelia zog das Tuch vom Gesicht und schob sich atemringend ein wenig hoch – nur so weit, dass ihre Nase und Mund über die Wasseroberfläche reichten. Gierig sog sie die Luft ein, gleich wie laut es zu hören war. Die Angst schüttelte sie.
Doch nichts geschah. Sie wartete eine Weile, aber die Knechte kehrten nicht zurück.
Noch im Aufstehen knöpfte sie sich Hemd und Hose auf, sie ließ die Männerkleider in den Bottich gleiten, nur den Geldbeutel löste sie vom Gürtel sowie das Tuch mit den eingenähten Steinen vorm Hals. Sie wusch sich rasch in der seifigen Lauge den Leib, die Hände und das Gesicht.
Dann setzte sie erst den einen Fuß, dann den anderen auf den Rand und schnürte die Schuhe auf. »Es geht zu Ende mit dir, Heliodor«, flüsterte sie. Sie verbarg die Männerschuhe unter der Wäsche im Bottich.
Nackt stieg sie, das Beutelchen mit dem Geld und das Tuch mit den Steinen in der Hand, aus dem Bottich, trocknete sich mit den Tüchern ab, die auf einem Hocker lagen, und holte das Pergament unter dem Schemel hervor.
Vorne bei der Tür standen Körbe mit Wäsche. An den Farben sah sie, dass es Kleider der kaiserlichen Zofen oder von Gräfinnen sein mussten. Sie zog ein grünes Kleid heraus, die Perlen und den Steinbesatz hatte man fürs Waschen abgetrennt, doch es war ihr zu groß. Ein blauer Rock war nicht lang genug, sie fand keine Strümpfe und wühlte weiter.
Ein
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