Die Goldmacherin Historischer Roman
rappelte sich hoch. Sie strich sich ihren schwarzen Alchemisten-Mantel glatt, richtete Hemd, Kragen und Bart. »Eure Schrunden sind gut verheilt …«
»Schweig!« Margret zückte einen kleinen venezianischen Dolch mit Glasspitze. »Wehe, du rührst mich an!«
Aurelia wich vor der Waffe zurück. Brach die Spitze, rissen die Splitter nicht nur die Haut scheußlich auf, sie waren außerdem vergiftet. Die Wunde schwärte Wochen, wenn man die Verletzung überhaupt überlebte.
Die eisblauen Augen der Prinzessin waren dunkel vor Zorn, sie hielt die gläserne Spitze des Dolches mit erhobenem Arm auf Aurelias Brust gerichtet. Im Sonnenlicht spiegelte sie kaum, so fein und klar war das Glas.
Margret raffte den langen gelben Rock, setzte einen Fuß zurück und hob das Kinn. »So schlau, wie du denkst, bist du gar nicht. Diesmal entkommst du nicht.« Ihre Stimme wurde von Wort zu Wort leiser. »Ich habe die Salbe mit Gänsefett gestreckt, und sie hat trotzdem geholfen.« Sie schüttelte den freien Arm so, dass der Ärmel zurückrutschte. »Nur noch ein wenig rosa ist die Haut, aber schon ganz gesund.«
Aurelia verfolgte jede Bewegung der Dolchspitze vor ihrem Gesicht und meinte: »Wie ich es Euch sagte.«
»Schweig!« Die Prinzessin senkte den Arm, der Stoff glitt wieder zum Handgelenk herab. »Das habe ich überstanden. Du erpresst mich nicht mehr.« Sie lachte auf. »Für wie dumm hältst du mich? Die Staatsgeschäfte, in die mein Vater mich einweiht, sind Lectiones genug, um deine Ränke schnell zu durchschauen.«
Aurelia sah im dunklen Zorn im Auge der Prinzessin einen Funken Triumph aufglühen. Ihr wurde heiß und kalt.
»Hast du bei deinem Hexenmeister nichts von den Schwächen der Männer begriffen? Hast du ihn nicht zum dummen Bock machen können? Das werden sie doch alle, wenn die Brunst sie erfasst.« Die mit rotem Welschschmand eingefärbten Lippen verzogen sich. »Ein ungarischer Fürst ist auch nur ein Mann.«
Aurelia wagte nicht den Kopf zu drehen, um den Abstand zur Tür zu schätzen. Den Sprung an der Prinzessin vorbei zum Fenster könnte sie eher schaffen, bevor diese mit dem Dolch zustieß.
Die Prinzessin kniff die Augen zusammen. »Von einer bevorstehenden Reise zu seinen Gütern hat er gesprochen, ganz nebenbei. Das hat mich misstrauisch gemacht.« Die Prinzessin kreiste in der Luft ein wenig mit dem Dolch. »Meine Zofen haben seine Kammerdiener umgarnt und haben mir die Briefe zum Lesen verschafft, die er heimlich nach Ungarn geschickt hat.« Sie lachte kurz auf. »Mein Vater hat gut verhandelt um die Krone, seid gewiss.«
»Warum übergibt er dann nicht einfach die Krone des Heiligen Stephans den Ungarn, wenn dem so ist?«, fragte Aurelia. Solange die Prinzessin redete, stach sie nicht zu.
Ihr Lachen klang wie das Zischen eines giftigen Tieres. »Weil ich deine Ränke rechtzeitig durchschaut habe, Hexe!« In ihren roten Stoffschuhen machte die Prinzessin kleine Schritte um Aurelia herum, dann rückwärts zur Tür.
»Die Kaiserin hat Mandolinenspieler aus Granada kommen lassen. Ihr Gesang ist schön, vor allem ihre jüdischen Hochzeitslieder laden zum Tanze ein.« Die Prinzessin verzog hämisch den Mund. »Einer hat beim alten Ezechiel aufgespielt. Rate mal, wen er dort von einem Stubenfensterchen aus gesehen hat? – Richtig, den jungen Alchemicus des Kaisers. Und als ich dann vom Mandolinenmann noch hörte, dass sein Lohn bei den Leuten arg knapp bemessen war, weil Ezechiel in allen
Häusern Gold auslieh, da habe ich eins und eins zusammengezählt.«
Aurelia war, als schwänden ihr alle Kräfte aus den Gliedern.
Die Prinzessin bemerkte, wie Aurelia verzagte. Sie machte eine Bewegung, als ob sie einen Schlüssel drehte. »Hier entkommst du nicht, alle Fenster sind vergittert, der Riegel vor der Tür armdick.« Sie selbst war schon halb aus der engen Kammer hinausgeschlüpft. »Du bist nichts als eine Diebin. Ich habe vorhin selbst nachgeschaut. Ich weiß genau, welche Edelsteine und Figuren du meinem Vater gestohlen hast.«
Wie von einem Wirbel erfasst schwankte Aurelia, vor ihren Augen verschwamm alles. Sie sah gerade noch, wie der Arm mit dem Dolch zuletzt durch den Türspalt verschwand.
»Jetzt wirst du büßen! Flieg doch davon, wenn du kannst, Hexe«, lachte die Prinzessin höhnisch, dann fiel die Tür zu.
Draußen schrammte ein Riegel über das Türblatt. Es klang wie ein Hammerschlag auf einem Glockenblech.Aurelia sackte auf den Teppich.
Sie war verloren.
57
V ergeblich
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