Die Goldmacherin Historischer Roman
untersuchte Aurelia das Fenster. Ein Gitter saß fest davor. In der Kammer gab es nur zwei Truhen mit Winterwäsche, aber keinen Stuhl, nicht einmal einen Kamin. Aurelia hatte das ganze Gewölbe der weißgekalkten Stube mit den Augen abgetastet. Kein vergessener Haken, nichts war zu finden, was eine Waffe hätte sein können.
Aurelia fuhr zusammen, als der Riegel wieder dröhnend aufgeschoben wurde. Die Tür sprang auf. Zwei junge Portugiesen mit den gestutzten schwarzen Haaren stürmten herein, umstellten sie und hielten ihre Spieße auf sie gerichtet.
»Knie vor dem Kaiser nieder!«, herrschte sie die Prinzessin an, die hinter den Wachen hereinrauschte, ihren Rock zur Seite schlug und neben ihren Vater trat. Aurelia gehorchte.
Der Kaiser stand im roten, goldgesäumten Wams vor ihr, die grünen Handschuhe in die Seiten gestemmt, seine geröteten Wangen bebten, an seiner Hüfte hing eine Reitgerte. »Was muss ich hören, Heliodor? Du hintergehst deinen Herrn?«
Aurelia wandte das Gesicht schützend ab, doch er schrie schon: »Wo sind die fehlenden Figuren, Heliodor? Wo die sieben klaren Schmucksteine?«
Sie wusste aus den Erzählungen der fahrenden Diebe, dass man niemals, niemals gestehen durfte. Solange man leugnete, gewann man Zeit, um auf einen Ausweg zu sinnen. »Ich weiß davon nichts«, sagte sie. Sie konnte selbst nicht sagen, worin sie die Kraft fand, mit fester Stimme zu sprechen.
Die Prinzessin lachte auf. »Sie lügt. Zu Ezechiel hat sie sie
geschafft und ihm vorgespielt, du wollest heimlich die Steine zu Gold machen.«
Der Kaiser wischte sich über die verschwitzte Stirn. »Kind, verwirr deinen Vater nicht noch mehr. Sie? Wieso sprichst du von Heliodor, als sei er ein Weib?«
Margret sprang vor und zerrte an Aurelias falschem Bart, so dass das Tragband zerriss. »Weil er eines ist! Schau!«
Schon flog auch das falsche Haar von Aurelias Kopf. Sie empfand einen winzigen Augenblick Erleichterung, das künstliche Haar los zu sein. Es schien ihr unerträglich heiß im Raum.
Der Kaiser starrte sie an. »Werde ich irre? Ich sehe ein Weib!« Er stieß das falsche Haar mit seinen grünen Lederschuhen an. »Alles … Lug und Trug!«, schrie er.
Aurelia fühlte einen kühlen Lufthauch in ihrem Nacken, der wie vor dem Scharfrichter entblößt war. Sie erfasste eine Leichtigkeit, die aus tiefster Verzweiflung erwuchs. Setze alles auf die eine Karte, flüsterte ihr eine mütterliche Stimme wie beim Tarotlegen zu. Der Gehängte ist eine Karte mit verborgenen Chancen! Sie setzte sich kaum merklich höher, zog die Füße an, drückte die Schuhspitzen in den Teppich.
Der Kaiser holte schon mit der Rechten aus, doch die Prinzessin hielt ihn am Arm zurück. »Bedenke, wer du in der Christenheit bist! Sie ist deiner eigenhändigen Züchtigung nicht würdig. Es ist schlimmer noch,Vater, als ich es wahrhaben wollte.«
»Du hast Recht.« Der Kaiser nahm den Arm langsam herunter und ließ die Gerte fallen. »Ein Weib kann kein rechter Alchemicus sein. Was sie vollbracht hat, vermag nur eine Hexe.«
Die Prinzessin beugte sich vor. »Sie hat auch den Fürsten Laszlo behext und ihm das Ungarngold gemacht.«
Aurelia überlief ein Schauder. Die Prinzessin baute schon
vor für ihren Geliebten, damit sie ihn vor dem Zorn ihres Vaters retten könnte.
»Welch Ausbund an Verrat!« Der Kaiser griff zu seinem Gürtel, nahm den Geldsack ab und öffnete ihn mit zitternden Händen. »Hier, diese Goldklumpen sind Schaustücke für das Gold, das der Ungarnkönig mir heute für die Krone geben will.« Er warf einen davon dem links vorn stehenden Wachmann zu. »Zieh dein Schwert und versuche, den Klumpen auf dem Fensterstein zu zerteilen. Gelingt es dir …«
Der gelbe Klumpen in der jungen Hand des Knechts war von dem Mindergold, das Aurelia mit von Rüdesheims Hilfe dem Fürsten Laszlo in den ausgetauschten Baumstämmen untergeschoben hatte. Ihr war es, als ob Kaiser, Wachen, Margret in große Ferne rückten und sie sich selbst wie von oben sähe. Die eine Karte …
Der portugiesische Wächter legte den Klumpen auf die Fensterbank, zog sein Kurzschwert aus der Scheide und nahm mit der Klinge kurz Zielmaß an dem gelben Metall. Aurelia sah ihn sogar schlucken, bevor er ausholte. Alle Augen richteten sich auf die durch die Luft schwingende Klinge.
Sie sprang auf. Mit voller Wucht warf sie sich gegen die Schulter des Kaisers und stürzte ihn so zu Boden, den Wachen in den Weg.
»Haltet sie!«, kreischte die Prinzessin
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