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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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verging.
    Sie hatte keine Wahl mehr: er oder sie.
    Aurelia stach mit der Klinge zu, der Schlag wurde von Laszlos Unterarm abgelenkt, der Krummdolch fuhr ihm längs an den Rippen entlang und tief ins Fleisch. Sein Schrei gellte über das Feld. Er taumelte zurück, fiel auf den Rücken, sein Blut schoss ins Gras.
    Er war nicht tot, gewiss nicht. Aurelia sprang auf und rannte auf den Wald zu. Mochten die Ungarn ihrem Herrn das Blut stillen, sie brauchte die Deckung der Bäume.
    Kaum dass die ersten Äste ihr ins Gesicht schlugen, rauschten
Pfeile an ihr vorbei, trafen Stämme oder fielen ins Unterholz. Aurelia stürmte zwischen den Stämmen immer tiefer hinein ins Dickicht. Himmel, schick mir einen Wildwechsel, irgendeinen Weg.
    Ein Rinnsal tauchte vor ihr auf, wurde zum Bächlein. Aurelia rannte mit den dünnen Stoffschuhen über Ästchen und Kiesel im kalten Nass voran.
    So würden sie keine Spuren lesen können, kein Hund würde sie wittern. Sie hörte die tiefkehligen Rufe hinter dem Wirrwarr an dicken Stämmen. Weiter, weiter stolperte sie im niedrigen Wasser. »Herrgott, hilf!«
    Der Bach bog um ein paar windbrüchig entwurzelte Stämme herum, die ihr Sichtschutz gaben. Aurelia wagte den Blick zurück.
    Nur Grün, keine Farben, nur das dumpfe Hoh, hoh aus Hunderten von Kehlen hallte von überall. Aurelia hob den Blick, eine uralte Esche stand unweit von ihr entfernt. Daneben ragte eine gekippte Buche schräg auf. Sie überlegte nicht lange, trat auf den toten Stamm, lief die Schräge ein paar Ellen entlang, fasste den ersten Ast, zog sich hoch und immer höher. Sie erklomm die Esche wie ein Hörnchen, von Astgabel zu Astgabel, bis sie in der Baumkrone auf dem letzten Ast saß, der noch ihr Gewicht zu halten vermochte.
    Erst dann blickte sie wieder nach unten. Schwindel erfasste sie und sie hielt den Stamm angstvoll umklammert. Wie ganz oben in einem Kirchenschiff saß sie im dichten Blätterwerk, während unten die Männer in schwarzen Beinlingen das Waldstück durchkämmten und das Metall ihrer Brustpanzer im fleckigen Sonnenlicht unter den Blättern schimmerte.
    Keiner schaute nach oben, und wenn, dann war sie schwerlich in all dem Blattwerk zu entdecken. Aurelia lehnte den Rücken an den Stamm und umfasste mit den Unterschenkeln den Ast, auf dem sie saß.

    Der Himmel war ihr gnädig. Nicht einmal die Vögel verrieten sie mit aufgeregtem Pfeifen. Der Wald um sie herum wurde seltsam still, als das Hoh, hoh der sie suchenden Ungarn langsam in der Ferne verklang.
     
    Erst als der helle Mond durch die Eschenkrone schien und ein kühler Hauch sie weckte, begriff Aurelia, dass sie nicht den Leib Romualds umklammert hatte, sondern den Eschenstamm.
    Ihre Tränen fielen von weit oben auf das trockene Laub, als sie langsam vom Baum hinabkletterte. Das tropfende Geräusch erst schien den Wald zu wecken. Überall raschelte es im Dunkeln, von überall drangen Tierlaute auf sie ein. Doch Aurelia fühlte keine Angst.Von den Kräften der Natur hatte sie nichts zu befürchten.

61
    D as Volk soll in Wien schon hungern«, rief Romualds Vormann.
    Wie hieß der Kerl noch gleich und was scherte ihn das überhaupt, ob in Wien jemand nichts zu fressen hatte? Wichtig war nur, dass Oswins Vorräte an Kräutersamen für den Rauch nicht ausgingen. Romuald hielt sich am Knauf des Sattels fest. Das Pferd vor ihm war groß wie ein Bär und klein wie ein Däumling, gleichzeitig grün oder braun oder weiß, je nachdem, wie er es ansah. Oswins Dämpfe waren vorhin besonders dicht gewesen. Der Weg vor Romuald war auf einmal tief wie eine Schlucht, dann nur ein wenig ausgetreten von den Wagen der Wiener Leute …
    »Der Belagerungsring ist fest geschlossen. Du wirst sehen, der Kaiser wird wie in Fischamend und Leopoldsdorf die Feldbefestigungen gar nicht gegen das Heer seines Bruders Albrecht brauchen.«
    Koronek hieß der Vormann, jetzt fiel es Romuald wieder ein. Der war sein Anführer und hielt die Hand auf die Kasse, wenn Romuald die Lohnlisten schrieb. »Warum scheren wir uns dann darum, ob in Mödling die Besatzung ihren Sold kriegt, wenn der Kaiser sie umsonst im Schlamm liegen lässt?« Er versuchte, sich weiter zu sammeln. Das Karminrot der Felder kippte aber ins Grün zurück, die Bäume wurden breiter und kleiner und waren keine hohen Türme mehr. Er hätte besser nur sieben Bilsensamen, nicht zehn mit dem Gerstenbrei zu sich genommen; diese waren stärker als die letzten. Noch dazu, wo er mit Oswin vorher den Dampf genossen

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