Die Goldmacherin Historischer Roman
Blick durchbohrte sie wie ein glühender Spieß. »Du wirst nicht entkommen. Eine Hundertschaft begleitet mich, und am Wald vor der Stadt warten die restlichen siebenhundert ungarischen Reiter.«
Aurelia schwieg eisern, auch wenn die Angst ihr Herz umklammert hielt. Sie rollte sich auf dem seidenen Prunkteppich im Wagenboden weg von Laszlo und lugte über die Bretter des Aufschlags. Es musste einen Grund haben, warum der Fürst sie nicht einfach vom Wagen warf. Hexenfurcht allein? Aurelia mochte nicht darauf vertrauen.
Noch waren sie in der Stadt, am Gassenrand gaffte eine
Menschenmenge nach der Krone. Manch einer bekreuzigte sich, Kinder lachten. In einer Kirche läuteten die Glocken. Überall standen hinter der Menge Haufen gerüsteter Männer des Kaisers.
Wahrscheinlich lag es am Zeremoniell, dass der Fürst sich ihrer noch nicht entledigt hatte.Wie alles am Hofe war gewiss auch die Fahrt der Stephanskrone durch Neustadt sorgsam ausgehandelt worden. Der Fürst wagte der Krone wegen keinen Halt oder gar Aufruhr, wenn sich Aurelia einer Abführung widersetzen sollte. Darin verbarg sich eine winzige Hoffnung für sie. Das Heiligtum auf seinen Knien war Laszlos höchstes Gut, daneben galt seine Rache vorerst nichts.
Kaum hatten sie den äußeren Stadtgraben überquert, rückte die Hundertschaft Ungarn dichter an den Wagen.
»A rabnőm«, lachte der Fürst dreckig über ihrem Kopf. Zwei graubärtige Anführer der neben dem Wagen einherlaufenden Soldaten schauten zu Aurelia hinunter mit einem Blick, wie ihn Männer im Badehaus auf eine verbrauchte Hure warfen.
Wenn sie die ungarischen Befehle doch nur verstehen könnte. Aurelia ergriff eine kalte Verzweiflung, so dass sie trotz der warmen Junisonne im Zofenkleid fror.
»Setz dich ruhig auf, Hexe, wir sind vor der Stadt«, sagte Laszlo mit einem höhnischen Lächeln.
Der Wagen beschleunigte. Aurelia ließ sich auf der vom Prunkteppich belegten Bank gegenüber dem Fürsten nieder. Er hielt die Krone mit beiden Armen umschlungen wie eine Amme ein Kind.
In der Ferne leuchteten die Mauern von Neustadt friedlich im Sonnenlicht, auf den Feldern im Weichbild arbeiteten die Bauern, vereinzelt wurden schon die Wiesen gesenst.Vor ihnen lag ein dunkles tannengrünes Stück Wald. Davor hoben und senkten sich die Köpfe von Pferden, auf denen gerüstete Reiter
ruhig warteten. So furchtbar groß hatte Aurelia sich die ungarische Horde nicht vorgestellt! Unwillkürlich griff sie sich an die Brust.
»Da erschrickst du«, knurrte der Fürst. »Mir scheint, du kannst doch nicht fliegen, Hexe, sonst wärst du längst entschwebt.«
Das erste Mal in ihrem Leben wünschte Aurelia sich, sie wäre wirklich eine Hexe. Sie hatte so viel erlitten, so oft gekämpft. War sogar der Kaiserburg entronnen und den Häschern der Prinzessin. Aber wie sollte sie mitten aus einer Hundertschaft entkommen, zumal sie genau in eine Pferdeherde hineinfuhren.
Sie roch den wilden Geruch der Tiere, als der Wagen hielt.
»Megállj!«, befahl der Fürst über die Köpfe der Männer hinweg, dann wandte er sich an Aurelia. »Du wirst schön ruhig sitzen bleiben, bis ich die Krone dem Marschall übergeben habe und sie sicher in der Reisetruhe liegt«, flüsterte er ihr zu.
Der grauhaarige Würdenträger in silbergestickter grüner Weste trat zum Wagen und hielt ein rotes Samtkissen hoch. Der Fürst setzte die Krone darauf ab. Der Marschall drehte sich um und ging gemessenen Schrittes zu einer zwischen vier Pferden eingespannten Tragesänfte, auf deren Mittelbrett eine offene Truhe festgezurrt stand.
Aurelia durfte nicht zögern. Sie sprang auf, schwang das eine Bein über den Wagenrand und trat mit dem anderen heftig nach dem Fürsten.
Doch Laszlo erwischte ihre Wade, krallte sich in ihr Fleisch, so dass sie mit der Brust auf das schmale Brett des Wagenaufschlags stürzte. Schmerz durchzuckte ihren Körper, ihr entfuhr ein Schrei.
»Mit so etwas habe ich gerechnet«, sagte Laszlo hämisch. »Jetzt wirst du sehen, wie schnell wir in Ungarn mit Hexen fertigwerden.« Er zog einen kleinen silbernen Dolch aus dem Gürtel. Er war leicht gekrümmt, osmanische Ware.Aurelia hatte
solche Zierdolche an den Gürteln der fremden Gesandten gesehen. Schön, edel und vor allem tödlich. »Nein!«, schrie sie und streckte Arme und Hände schützend aus. Er würde sie abstechen wie ein Lamm.
Ein Fuß trat ihr zwischen die Beine hart in die Scham. Aurelia wurde schwarz vor Augen und übel. Doch loderte der Schmerz so
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