Die Goldmacherin Historischer Roman
erlitten, sie fuhren lieber sichere Wege. Aurelia zog sich an einem Ast hoch, schüttelte ein paar Erdkrumen ab und schlich sich aus dem Busch.
Drei Bäume weiter trat sie auf den Weg. »Wohin fährst du?«, rief sie dem Händler zu. Ihm fehlte tatsächlich der linke Unterschenkel. Sein Gesicht war schmal, das helle Haar fiel ihm bis zu den Schultern. Er war gewiss einmal ein hübscher Mann gewesen, mit den fast noch vollen Lippen und der edlen Nase wie bei einem Grafen. Doch hatte die Armut ihm den Glanz der Augen genommen, die Wangen waren fahl und der Spitzbart schon grau.
»Wo kommt Ihr denn her, Fräulein?« Er hielt an, beschattete die Augen und betrachtete ihr zerrissenes, verflecktes Hofkleid.
»Frag besser nicht.« Aurelia mühte sich, heller zu sprechen, fast erreichte sie ihre alte Tonlage. Auf dem Wagen lugte ein kupferner Bügel wie von einem Kessel unter einer Lumpenplane vor, dahinter erkannte sie ein Joch wie von einem Kalb, sogar eine Steinsäule mit einer Verzierung. »Ich bin den Räubern entronnen.«
»Diebsvolk oder Landsknechte macht keinen Unterschied – das eine holt sich das Geld gleich bei uns, die anderen bekommen ihn vom Landesherrn, der ihn uns abpresst.« Er wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Sag bloß, die Räuber sind noch im Wald und hinter Euch her?«
Der Mann musste einer von den armen Kaufleuten sein, die sich mit Tauschhandel durchschlugen. Diese fuhren meist ein erbärmliches Sammelsurium von halbkaputten Waren herum, weil auch die Armen Zeug brauchten. Angst hatte er, so wie er
sich umsah und den Waldrand beäugte. »Sorg dich nicht. Sie sind weg.« Aurelia trat näher. »Nimm mich mit. Es soll dein Schaden nicht sein.«
»Mich lässt man selten auf eine Burg.« Er deutete mit einem Kopfnicken zu seinen Waren. »Derlei wird dort nicht gebraucht. Allerdings bei Euch, Fräulein, wird man froh sein, wenn ich Euch zurückbringe.« Er lächelte. Ein wenig schien im verhärmten Gesicht der Junge auf, der er wohl mal gewesen war, ein Junge, der rote Äpfel klaute und herzhaft hineinbiss. »Ich bin der Veit«, stellte er sich vor.
Langes Herumreden half Aurelia nicht weiter. »Bevor ich aufsteige, höre zu. Ich tausche mein Kleid gegen festes Zeug und Schuhe.« Falls er sich nicht auf einen Tauschhandel einließ, konnte sie ihm immer noch von ihrem Geld anbieten.
Er runzelte die Stirn. »Du bist gar kein Fräulein, sonst würdest du nichts anderes wünschen als rasch zurück zu den Deinen zu kommen.Wer bist du,Weib?«
»Niemand.«
»Das gefällt mir.« Veit lachte. »Dein Kleid also …« Er besah sie von oben bis unten. »Einmal gewaschen wäre der Stoff wie neu. Er ist teuer und vornehm.« Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. »Ich habe aber keine Frauenkleider auf dem Wagen, und bloß mit deiner Haut bekleidet kannst du nicht fahren.«
»Gib mir eine Hose und ein Hemd von dir. Einen zweiten Mantel wirst du doch haben.«
Er zuckte mit den Schultern. »Wenn du die schäbigen Lumpen willst, bitte. Hinten rechts bei den Tonwaren, aber zerschlage mir nicht die Schüsseln.«
Unter der Plane roch es nach Gewürz. »Hast du Spezereien gefahren?«, rief sie nach vorn. Sie schlüpfte schon aus dem Kleid und zog eine Hose und ein Hemd unter einem Packen hervor. Die Sachen waren sogar frisch gewaschen und rochen nach Zimt.
»Meine Schwester ist die Frau eines Bäckers. Der ist gut im Geschäft und liefert den Mönchen in Baumgarten die Sonntagssemmeln. Ich habe dort im Lager geschlafen.«
Mochte seine Geschichte wahr sein oder nicht, wenigstens versuchte er nicht, ihr auf den Nabel zu schauen.
Sogar ein Paar seiner Stiefel passten Aurelia halbwegs. »Ich lege das Kleid neben die Schüsseln.«
»Tu’s besser in den Kessel dahinter, dann rollt es nicht so im Staub herum«, rief Veit von vorn.
Aurelia streckte sich weiter unter der Plane und stopfte das eingerollte Kleid in den Eisenkessel. »Hast du noch einen Hut?«
»Nein, nur eine Mütze, hier vorn.«
Aurelia zog die Plane glatt.
»Wo fährst du hin?«, fragte sie, als sie auf den Bock stieg.
»Nach Wien.«
»Die Stadt ist doch belagert.«
»Eben deshalb.« Er feixte nicht, sondern meinte es ernst, so wie er die alte Mähre mit dem Zügel antrieb.
»Aber wie willst du bis in die Stadt gelangen?«
»Gar nicht.« Er wiegte den Kopf und sah sie dabei an. »Wo kommst du nur her? Doch aus einem feinen Stübchen, bist du etwa einem Kloster entsprungen? Hier hinter den Hügeln ist doch gar keins.« Er
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