Die Goldmacherin Historischer Roman
gegen eine Steinwand. Pferde trabten durchs Gautor, dessen Torturm die Landsknechte mit langen Leitern nun auch vom Innern der Stadt bestürmten. Andere plünderten schon. Auf einem Ochsenwagen hochgestapelt ragten Kisten auf, lange Stoffballen und Körbe voller Zeug. Die Tiere zerrten vom Schlachtlärm wie wahnsinnig im Geschirr. Sogar Gold glänzte in der Ladung. Etwas kullerte herab und fiel ihr vor den Fuß, es war ein Heiligenbildchen von St. Gertraudis. Die Mauern des Nonnenklosters hatten also nicht standgehalten.
Ein schwerer Stiefel trat das Bild in den Schmutz. »Vögelchen, zwitscherst du so golden wie dein Haar glänzt?« Der wuchtige Landsknecht aus der Werkstatt rieb sich mit dem Handrücken Geifer vom Mund.
»Lass meine Braut in Frieden!«, schrie jemand vom Torturm herab.
Romuald! Aurelia stieß den Landsknecht von sich und drehte sich zu ihrem Verlobten herum. Romualds Feiertagshemd war längst zerrissen. Dreckverschmiert und vom Schweiße nass hielt er sich oben an einem Balken des Toraufbaus fest, den einen Fuß schon auf der Brüstung.
Der Landser riss zur Antwort Aurelia das Kleid weiter von den Schultern, so dass ihr Busen heraussprang. »Was für feiner Frauenspeck«, grölte er. Aurelia mühte und wand sich, bis das Unterkleid wieder ihre Blöße deckte. Der Landsknecht schob seine rauen Finger in den Saum. »Täubchen, tu nicht so. Das gefällt allen Weibern, ob in Köln oder Mainz.«
Aurelia hielt den Blick auf Romuald gerichtet, der schon rittlings auf der Torbrüstung saß, das andere Bein herüberschwang, sich abdrückte und sprang.
»Romuald, nicht!«, entfuhr es ihr. Das Tor war viel zu hoch.
Doch wie ein Löwe landete Romuald auf allen vieren, erhob sich sofort, wich einer Pike aus, sprang über zwei tote Brunnenknechte, trat einen Eimer aus dem Weg und packte den Landsknecht mit beiden Armen von hinten um den Leib.
Der ließ von Aurelia ab, beugte sich kurz vor und zurück, machte einen Ausfallschritt und schwang Romuald wie von Zauberhand über sein Kreuz gelüpft vor sich in den Dreck. »Hundsfott, dämlicher! Stirb halt für den glatten Weiberarsch, ha!«
Romuald rollte herum, sprang wieder auf und stürzte sich mit beiden Fäusten auf den Kerl. Der erste Hieb traf das Auge,
der zweite das Kinn, der Landsknecht sackte auf die Knie. Doch sein Gegenschwung traf Romuald in den Magen.
»Der Bock der goldgelockten Hure rührt sich kräftig.« Zwei Nassauer traten nach Romualds Unterschenkeln. Sein Schmerzensschrei, als er einknickte, fraß sich Aurelia in Mark und Bein.
»Täubchen, Täubchen, was hast du nur, dass sich die Böcke für dich opfern?« Ein öliger Finger fuhr ihr über das Kinn entlang. Hinter dem Widerling zerrten Männer etwas Blaues durch die Gasse.
»Vater!« Ihr Schrei gellte so laut, dass der Landser von ihr abließ.
»Der Giftmischer hat gelogen. Nichts haben die Nonnen, nichts. Ein paar Becher am Altar, sonst nur Wollzeug, nicht mal eine gemalte Bibel. Arm wie die Mäuse, das faule Betpack.Wo hast du dein Gold versteckt, alter Sack?« Sie schleiften Vater am Bart durch die Gasse. Er lag auf dem Rücken, seine Füße zuckten wie bei einem erlegten Tier. War er etwa schon …? Aurelia biss sich in die Faust. Oh Gott, lass ihn leben, betete sie stumm.
Vom Tor herunter prasselte siedende Flüssigkeit, ein verbrühter Nassauer Wicht rannte blind gegen eine Wand und fiel um. Die Landsknechte in der Gasse wichen zurück. Romuald lachte wie irre. »Da kriegt ihr euer Fett«, brüllte er. Ein Faustschlag in sein Gesicht ließ ihn verstummen.
Vater lag drei Schritt weit vor Aurelia in der Karrenspur, zwischen Kohlblättern, Holzsplinten und Erde. Das geliebte Gesicht war völlig verzerrt, jede Falte schien wie mit schwarzer Kreide unterstrichen. Da schlug er die Augen auf. Aurelia betete, dass er sie noch einmal sehen und erkennen würde. Sein vergehender Blick irrlichterte über die Menschen, bis er ihren traf.
Der alte Mund verzog sich zu einem zärtlichen Lächeln, das
ihr Hoffnung geben sollte. Er sorgte sich um sie, selbst jetzt noch. Aurelia legte alle Liebe, zu der sie fähig war, in ihren Blick. Hätte sie ihn doch nur umarmen können, damit er nicht ohne Trost von der Erde gehen musste. Auf ihren Schoß gebettet, wäre ihm das Sterben gewiss leichtergefallen. Es zerriss ihr das Herz, dass er wie ein Hund im Straßendreck enden sollte.
Vater öffnete den Mund, einmal, zweimal. Seine Lebenskraft war fast erloschen. Aurelia schluckte die Tränen
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