Die Goldmacherin Historischer Roman
hieß, wenn die Landsknechte über einfache Leute herfielen. Vor Angst fühlte sie sich ganz dumpf im Kopf.
Der Knall des berstenden Holzes erschütterte die Wand. Kein Zweifel, die Haustür war aus den Angeln geflogen. Aurelia griff zu einer Kelle, wollte sie mit Schwefelmatsch füllen, doch Vater hielt sie zurück. »Lass es, Kind. Es macht nur alles schlimmer«, warnte er.
Vater bedeckte Aurelia so gut es ging mit seinem Mantel, sie kauerten in der Ecke hinter dem Säurefass. Sechs, sieben Kerle mit nassauisch-blauen Fetzen auf den Harnischen drangen in den Hof ein, die gierigen Münder aufgerissen und einen irren Glanz in den Augen. Die Landsknechte schlugen auf alles ein, was ihnen im Wege stand, die Fässchen, die Tiegel und Öle, alles, was Aurelia nicht hatte wegschaffen können.
Ein Kerl mit einem spitzen Helm entdeckte sie. Zufrieden strich er sich über den langen braunen Bart. »Wen haben wir denn da? Einen Hexenmeister und sein Täubchen. Ha!« Schon hatte er Vater eine Pike unter das Kinn gedrückt, die an einer langen Stange steckte. »So hexe dich weg, wenn du Kraft und Wissen hast.«
»Ich bin ein Demiurg, kein Zaubermann. Ich kann Silber machen und Pulver.« Vater klang ganz gelassen. Woher nahm er nur diese Ruhe?
»Geschwätz. Lügner wie dich haben wir zu Hunderten im Rhein ertränkt.«
Die Bewohner von Mainz waren davon ausgegangen, Adolf
von Nassau hätte sich nach den Niederlagen im Kampf gegen den Pfälzer Kurfürsten zurückgezogen, seit seine Verbündeten im Verlies in Heidelberg einsaßen. Doch offensichtlich hatte der Heerführer im Heimlichen die Erstürmung der Stadt vorbereitet; die Finte war ihm gelungen. Der Landsknecht über Aurelia war dünn und ausgemergelt, von ihm drohte wenig Gefahr. Doch die wuchtigen Kerle hinter ihm beäugten sie lüstern. Den ersten allein hätten Vater und sie niederwerfen können, aber gegen die anderen vermochten sie nichts auszurichten. Es war hoffnungslos.
»Was für meine Lenden. Ein Goldapfel obendrein«, lachte einer rau.
»Die teilen wir uns, eine Jungfrau bringt Glück in der Schlacht.«
»Zuerst bin ich dran, du hattest schon eine …«
»Haltet’s Maul!« Der dünne Landsknecht hob die Hand. »Schafft die Hexe auf die Gasse. Hier kommen wir nicht weiter.« Er schaute hoch zur Mauer. »Da oben laufen unsere Männer. Passen wir auf, dass wir was vom Geld in den Häusern abbekommen. Die Weiber nehmen wir uns später.«
Er packte Vater beim Bart, zerrte ihn daran herum und schleuderte ihn in den Hofdreck. »Wo hast du dein Geld versteckt, du Giftmischer?«
»Bei den Nonnen von St. Gertraudis«, krächzte Vater mit erstickender Stimme, so sehr drückte ihm einer der Landsknechte die Gurgel zusammen.
»Dann flehe dort für uns um Einlass.« Ein weiterer Kerl stieß ihn mit der Hellebarde in die Seite. »Lauf, lauf.«
Hände begrapschten Aurelia an der Hüfte, am Busen, rissen ihr die Haube vom Kopf, rissen an den Ärmeln, ihre eine Schulter lag bloß. »Was für ein Kälbchen«, gurrte einer kehlig.
»Lass mir was übrig, Grünhans«, grölte ein anderer.
»Raus mit euch, sonst lass ich euch querteilen, Hurenbock.«
Der dünne Anführer spie aus. Ein nassauisch-blauer Stofffetzen strich über ihr Gesicht, als er ihr zwischen die Beine griff. Dann ließ er sie gehen und stieß sie an den Schultern voran.
Die Dumpfheit in Aurelias Kopf verschwand schlagartig. Ihre Sinne schärften sich, eine seltsame Ruhe erfasste sie. Sie hatte keine Kräfte für eine Gegenwehr, nur ihren Verstand, ihre Schnelligkeit. Und dazu den kleinen Sarazenerdolch, den sie von Mutter geerbt hatte. Den hatte sie als Erstes an den Gürtel gesteckt, als sie von der Zunft nach Hause geeilt war. Kaum hatte sie das Verlobungs- gegen die Arbeitskleider getauscht, war sie in die Werkstatt gerannt. Aurelia würde sich nicht nehmen lassen, was sie allein Romuald versprochen hatte.
An zerschlagenen Töpfen, geborstenen Flaschen und zertrümmerten Stühlen vorbei trieben die Landsknechte sie grob aus dem Haus hinaus auf die Gasse.
Mit armdicken Lederknuten schlugen sie auf Vater ein. Für jeden seiner schleppenden Schritte war Aurelia dem Herrn im Himmel dankbar, sah sie daran, dass er noch lebte.
Sie roch Blut, Leichenwasser, Kot und Rauch. Flammen loderten aus den Häuserdächern. In der Gasse wurde die Schmiedefrau von gegenüber von drei Landsknechten am Boden gehalten. Ihr Mund murmelte wie im Gebet,Tränen rannen aus den halbtoten Augen.
Dann warf man Aurelia grob
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