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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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vieren in den Hasenschlupf. Brombeerdornen hakten sich in ihren Wildledermantel, aber nicht tief genug, um sie zurückzuhalten.
    Schon sieben Ellen auf dem feuchten Boden weiter öffnete sich das dunkle Blätterdach ein wenig zum Himmel.Vor einem Mauerrest kauerte ein Knabe, neben ihm lag ein Haufen Lumpen.
    »Wer bist du denn?«, fragte Aurelia leise.
    Das Kind schüttelte nur den Kopf. Da wimmerte es im Lumpenhaufen. Aurelia robbte näher und deckte die Leinenfetzen auf.
    »Nein! Bitte nicht!« Große, angsterfüllte blaue Augen starrten sie an. »Nicht wieder schlagen!«
    Die hellen Haare des Mädchens waren so verschmiert, dass Aurelia kaum Blut von Dreck unterscheiden konnte. Der schmale Leib war ja von vielen Wunden bedeckt! »Ich tue dir nichts«, sagte sie ganz sanft. Das Mädchen war nicht einmal mehr richtig angezogen.

    »Die Männer haben sie liegen lassen. Ich habe gedacht, Gundi ist tot.«
    Aurelia erstarrte. »Welche Männer?« Oh Gott! Am Ende waren die Wegelagerer noch hier, hinter dem Hügel.
    »Sie sind fort.«
    So entsetzlich tonlos die Stimme des Knaben auch klang, war es wohl wahr, dass keine Räuber hier verborgen lauerten.
    »Wie heißt du denn?«, fragte Aurelia sanft.
    »Ich bin der Beppo.« Er legte ganz vorsichtig die Lumpen wieder über das Mädchen. »Meine Schwester darf nicht frieren. Gundi muss es warm haben.«
    Die Wunden mussten unbedingt versorgt werden. Aurelia sah zum Himmel, noch war es hell genug, um das Mädchen zu waschen. »Der Dreck muss abgespült werden, hörst du?« Sie wollte Gundi hochheben, doch da stürzte sich der Knabe auf sie und biss ihr in die Hand.
    Es tat sehr weh, doch sie schüttelte Beppo ab, bestimmt, aber nicht zu heftig. »Wenn der Dreck bleibt, entzündet sich alles. Begreifst du? Dann bekommt Gundi Fieber, und das ist sehr gefährlich. Du hast nichts, das sie wärmen kann«, sagte sie so nachdrücklich wie möglich.
    Der Knabe strich seiner Schwester über die Stirn. »Gundi muss bei mir bleiben.« Er weinte nicht einmal, sondern schaute ihr beim Atmen zu, so ernst wie ein Ministrant dem Priester bei der Messe.
    »Ich habe zur heiligen Ursula gebetet, dass sie Hilfe schickt«, flüsterte das Mädchen auf einmal. »Beppo, lass die Frau machen.«
    Aurelia wusste sehr wohl, wie das Kind zu retten wäre. Zuhause hätte sie die nötigen Salben und stärkenden Tränke gehabt. Aber ihr Heim gab es nicht mehr. Aurelia verzweifelte am Himmel. Warum ließ die heilige Ursula zu, dass solches Unheil überhaupt erst geschah?
    Von Aurelias früherem Leben gab es nichts mehr, außer ein
paar Erinnerungen.Was waren diese wert, hier mitten auf dem Feld in einer feuchten Hecke? Aber sie konnte das Kind nicht einfach verrecken lassen. »Gibt es hier eine Quelle oder einen Bach?«
    Beppo kroch schon voran, hinaus aus den Brombeeren. Aurelia trug das Mädchen auf den Armen und schob sich auf den Knien hinterher.
    Der Knabe lief weiter die Hecke entlang. In den Spinnweben zwischen manchen Ranken hingen glitzernde Regentropfen. Das Tageslicht verblasste allmählich.
    Wenigstens fand sich im November genug Wasser in der Landschaft. Aurelia brauchte das Mädchen nicht weit zu tragen. Knapp unterhalb der Hecke schlossen sich in einem Graben zwei Rinnsale zusammen. Aurelia setzte das Mädchen auf. »Beppo, pass auf. Wenn jemand kommt, pfeifst du. Du kannst doch pfeifen?«
    »Wie ein Rotkehlchen«, flüsterte Gundi in ihren Armen. »Und wie ein Rabe, wenn er will.«
    »Es wird nur ein wenig ziepen, dann wird es besser.« Lange wusch Aurelia die Wunden, indem sie klares Wasser schöpfte und es über die offenen Stellen laufen ließ. Sie zupfte welke Blätter vom nächsten Strauch, säuberte sie im Rinnsal und packte sie als Verband auf die zarte Haut. Gundi hielt ganz still, als Aurelia sie in die Lumpen mit den wenigsten Schmutzflecken einwickelte. »Hast du noch mehr Kleider?«
    Gundi schüttelte den Kopf. Beppo kam näher. »Sie darf von unseren Vorräten haben«, flüsterte das Mädchen ihm zu.
    Der Knabe ging schnell voran, als Aurelia Gundi wieder auf ihre Arme nahm. Beppo winkte schon am nächsten Baum, einer Buche, an der noch ein paar braune Blätter im Abendwind flatterten. Er deutete auf einen anderen Hasenschlupf in den Brombeeren. »Hier lang ist es kürzer.«
    Es war fast dunkel unter den Ranken. Aurelia schwitzte und
spürte jede Faser ihrer Muskeln, so schwer schien ihr Gundi mit einem Mal. Fast stieß sie an die Feldsteine, vor denen sich Beppo aufrichtete. Neben

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