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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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auf den Feldern vor Mainz war vom Kriegstross
längst niedergetrampelt gewesen, die ersten Dörfer, durch die Aurelia mit ihren Leidensgenossen gezogen war, niedergebrannt. Bauern hatten tot vor den Misthaufen gelegen, und ganze Sippen von Überlebenden hatten sie mit Harken und Steinen bedroht, auf dass sie alle nur sofort verschwinden sollten.
    Graue Wolken ballten sich über Aurelias Kopf im Abendlicht. Der Wald dort auf dem Hügel erschien ihr auf einmal zu dunkel und gefährlich, um dort ihr Nachtlager zu suchen.Womöglich nisteten dort Räuber, die nur warteten, bis sich die Kriegsherren in eine andere Gegend verzogen.
    In der Herbstlandschaft lagen die Wiesen schon braungrau, welk die wenigen Weinberge und stumpfbraun mancher Acker. Ihre Füße schmerzten schon so lange, viel weiter kam sie heute nicht. Bald würde sie den nächsten Hang hinauf zu einer Brombeerhecke gehen, die noch recht grün war. Irgendwo gab es immer einen Hasenschlupf unter den Dornen. Dorthinein traute sich keiner in der Nacht. Trotzdem schauderte Aurelia vor Kälte.
    In der ersten Nacht nach der Verbannung noch hatten sich Frauen, Männer und Greise zusammengerottet und ums Feuer gekauert. Doch schon am nächsten Tag hatte sich die Menge auf der Landstraße an jeder Wegkreuzung weiter geteilt. Die einen waren den Rhein nach Ingelheim hinabgezogen, die anderen hatten zu Oppenheim auf eine Fähre gehofft und wollten in die Frankfurter Gegend. Die wenigsten zogen den Juden hinterher den Rhein hinauf nach Worms.
    Aurelia musste ans Morgen denken. Der Hunger würde sie noch mehr plagen. Nirgends gab es einen Birnbaum, wie sie ihn am zweiten Tag entdeckt hatte, als sie mit einem Einarmigen quer über Wiesen davongelaufen war, weil auf der Landstraße zu viele Kaufleute mit Nassauer Begleitschutz geritten waren. Auch wenn für Aurelia gewiss ein Platz auf dem Wagen frei gewesen wäre, hätte sie ihn am Abend bitter bezahlen müssen.
So hatte sie sich lieber an den wurmstichigen Birnen satt gegessen und dem Einarmigen den Rest der Ernte überlassen. Ein Blähbauch war weniger schlimm als Hungerschmerzen.
    Aurelia stapfte über die Wiese auf die Brombeerhecke zu. Ihre Füße waren schwer wie Blei. Ihr ganzer Körper litt unter den Anstrengungen. Wenn sie sich doch nur einmal richtig waschen könnte …
    Traue niemandem, den du nicht wirklich kennst, schon gar nicht Männern. Als Kind hatte sie das die fahrenden Frauen oft untereinander flüstern hören. Aurelia würde zum Donnersberg gehen, ein Ziel, das gewiss nur ganz wenige im Auge hatten. Vielleicht fand sich in einem Weiler der abgelegenen Gegend eine mildtätige Seele, die ihr eine Schale Milch als Almosen reichen oder gar ein paar Tage Unterschlupf fürs Helfen beim Flachswelgen gewähren würde.
    Nimm dir ein Beispiel am Wild, es sucht immer Deckung.
    Auf der Wiese am Hang hinauf glänzte schon Tau auf den Halmen. Wenigstens waren ihre Schuhe dicht. Noch im Bischofspalast musste Rahel sie in weiser Voraussicht mit pichenem Fett eingerieben haben.
    Aurelia atmete schwer, so steil war der Hang. Als sie sich der Brombeerhecke näherte, entdeckte sie sogar ein paar verfallene Feldmauern.
    Sie sah ins Tal zurück, ob ihr jemand vom Weg herauf folgte. Doch da war niemand. In der dämmrigen Ferne waren nur drei, vier schmale Rauchsäulen von Feuerchen zu sehen, die manche in ihrer Dummheit zum Wärmen anfachten. Jeder bewaffnete Dieb konnte sie so selbst noch bei Nacht finden und ihnen noch das letzte Hemd stehlen.
    Aurelia ging an der mindestens hundert Ellen langen Hecke entlang. Die niedrig hängenden Brombeeren waren längst von hungrigen Fingern gepflückt worden. Nur weit hinten, höher als eine Armeslänge, entdeckte sie im späten Licht noch ein
paar schwarze Früchte. Sie hingen außer Reichweite. Aurelia würde sich nur umsonst die Arme zerstechen, wenn sie versuchte, an sie heranzukommen.
    Ein Rascheln! Sie duckte sich sofort, fiel auf die Knie und packte den nächstbesten Stein. Eindringlich durchforschte sie das grüngelbe Beerenlaub. Sie entdeckte einen Hasenschlupf. Zu ihrer Verwunderung war da in der Lücke zwischen den Ästen ein Fuß! Und noch ein Fuß, zwei. Aber klein, sehr klein. »Ich tue euch nichts«, rief sie.
    Stille.
    »Ich will auch nur vorm Wind geschützt schlafen. Ich bin allein.«
    Ein leises Schluchzen drang durch die Blätter an den Ranken. Es war kaum zu hören, und fast glaubte Aurelia an eine Täuschung. Doch sie fasste sich ein Herz und krabbelte auf allen

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