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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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sich über die Mauerkrone zurück und fiel hinab. Romuald!
    Sie stürzte an der Äbtissin vorbei zur Luke. Von den zwei Mauerseiten des Tores spien Blasebälger Pech auf die Rösser hinunter. Die armen Tiere wieherten vor Schmerz und wichen zurück, so sehr die Ritter ihnen auch die Sporen in die Flanken hieben.
    »Aufs Pferd!«, gellte der Befehl des Grafen.
    Es war Romuald, bei Gott. Aber er war kaum vom Pech getroffen worden, nur der eine Stiefel glänzte schwarz davon. Um ein Haar hätte sie Romuald getötet mit ihrer Alchemistenkunst.
    »Die Nönnchen holen wir uns später.« Der Graf wendete schon sein Pferd, die anderen Tiere stürmten in wilder Hast an ihm vorbei. In den Sätteln schwankten die Reiter wie Winterpuppen aus Stroh.
    Aurelia knickte in den Knien ein und sank gegen die Holzluke. Tränen liefen ihr über das Gesicht.
    »Was hast du?« Enhardis war herangeeilt und beugte sich zu ihr hin. »Wir haben sie doch in die Flucht geschlagen.«

    Aurelia wusste nicht, ob sie sich selbst regte oder ob man an ihr rüttelte.
    »Ihre Hexenkraft ist verbraucht, das sieht man ja.« Ruths Stimme klang seltsam fern vom Aufgang her. »Wundert’s dich bei diesem Teufelszauber?«
    Enhardis riss Aurelia an den Schultern hoch. »Genug gekämpft. Wir senden sofort einen Boten zum Bischof von Speyer, der mich auf der Wachtenburg erwartet. Er soll uns Hilfe schicken.« Sie schob Aurelia am Arm zu den Stufen im Torhaus. »Hilf ihr an der Stiege, Ruth. Der Pechgestank hat sie benommen gemacht.«
    Romuald lebt . Nichts als dieser Gedanke kreiselte in Aurelia.
    »Kommt zum Dankgebet in die Kirche!«, rief Enhardis unten auf dem Hof. »Aufgeräumt wird später.«
    Aurelia kletterte mit weichen Knien die Stiege im Torhaus hinab.
    »Lässt du die Hexe wirklich ins Gotteshaus?«, fragte Ruth. Eine steile Falte grub sich auf ihrer Stirn ein.
    Im Hof sah Mechthild Aurelia kurz ins Gesicht, dann wies sie zu den Feuern und Kupferkesseln. »Diese Künste, diese Feuerpulver – vielleicht lernt eine Apothekerstochter das ja in einer freien Stadt wie Mainz.«
    »Niemals, das ist Teufelskunst«, gab Ruth zurück.
    »Genug jetzt.« Enhardis trat zwischen die beiden Nonnen. »Sie war nur das Werkzeug des Himmels.«
    Beinahe hätte Aurelia sich übergeben. Romuald hätte von ihrer Hand sterben können, ihrer eigenen Hand.
    Enhardis richtete ihr Äbtissinen-Kreuz auf dem Habit. »Danken wir jetzt der Mutter Gottes dafür, dass die Tore ihres Klosters gehalten haben.« Sie ging gemessenen Schritts voran. Die Nonnen reihten sich hinter ihr ein. Ruth würdigte Aurelia keines Blickes.

    »Nun mach schon, Aurelia. Du bist ja ganz kalt.« Schwester Leonor zog sie einfach mit in den Konvent zur Kirche.
    Sie würde Gott und die Heilige Jungfrau anflehen, dass das Pech Romuald nicht zu sehr verbrüht hatte. Selbst wenn sie ihn nie wieder sehen sollte, er sollte leben. Mehr durfte Aurelia sich nicht mehr vom Himmel wünschen.

20
    S eit dem Angriff der Ritter wurde es von Tag zu Tag schlimmer. Die meisten Nonnen und Laienschwestern waren immer schon im Treppenhaus drei Schritte weiter oder behaupteten Aurelia gegenüber, dass sie gerade eben dringend zur Äbtissin gerufen worden seien, wenn sie einmal das Wort an eine richtete. Dann hörte sie sie aber hinter dem nächsten Pfeiler mit anderen zwitschern. Nur noch wenige Nonnen sprachen mit Aurelia. Dazu gehörten Susanne, Pereldis und die anderen, die sie von dem seltsamen Fieber geheilt hatte. Sie trösteten Aurelia meist nach dem Abendgebet in einem Winkel des Kreuzgangs. Die anderen Frauen gaben sich wortkarg. Selbst die dicke Walli, die sonst mit ihr im Refektorium oder beim Weben gescherzt hatte, erzählte nichts mehr. Mechthilds Haltung ihr gegenüber schwankte. Mal war sie in der Apotheke gesprächig wie immer, mal musterte die alte Nonne Aurelia misstrauisch aus den Augenwinkeln.
    Von Enhardis gab es kein Wort des Danks, außer an Gott. Die Äbtissin hielt Abstand. Sie aber in die Winterkälte hinauszuschicken, wie es Ruth noch immer forderte, damit hatte Enhardis Aurelia seit dem Angriff nicht mehr gedroht.
    Der Klosterhof war längst aufgeräumt. Mechthild hatte sie die Kupferkessel mit Sand scheuern lassen, bis auch der letzte Rest von Steinöl oder Meerschaumbrei im eiskalten Bach hinweggespült worden war. Heute früh war Aurelia wieder zu den Büchern ins Armarium geflüchtet. Es schien fast, als hätte Enhardis beschlossen, die Nonnen einfach vergessen zu lassen, dass Aurelia unter ihnen

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