Die Goldmacherin Historischer Roman
Säckchen im stinkenden Brennwasser.
»Macht das Tor auf, Äbtissin!«, rief eine raue Männerstimme. »Zahlt euren Zehnt, damit wir Euch vor Unbill und Krieg schützen.«
Welch Hohn, dass die Ritter ihre Räuberei noch als gute Tat ausgaben. Aurelia packte Säckchen um Säckchen in den Korb.
Die Blicke der Nonnen folgten ihrer Äbtissin, die im Torhaus hinauf zur Mitteluke stieg.Von dort rief sie zwischen den halbgeöffneten Läden hinaus. »Ihr redet von Schutz? Wo ihr mein Kloster mit Pfeilen beschießt wie gemeines Diebsvolk! Rosenthal ist der Heiligen Jungfrau geweiht. Meine Rechte sind von Bischof und Kaiser mit Brief und Siegel bestätigt. Wollt ihr meinen Schutzherrn herausfordern, Ritter?«
19
S chutzherr oder Kriegsherr – das war gleich. Nichts als ein Gierschlund war der Adelsmann dort vor dem Klostertor. Romuald fiel nicht mit ein ins raue Lachen der Reiter um ihn herum.
»Macht das Tor auf, Äbtissin!«, rief Graf Spanheim, der Anführer des Ausschweifhaufens. »Es ist nicht das Erste, das uns weichen muss.« Er wandte sich zu ihnen um und winkte huldvoll mit dem Handschuh wie bei einem Tanz bei Hofe.
»Selbst Mainz hat sich nicht lange vor uns geziert«, höhnte ein Reiter.
Romuald traf der Name seiner Heimatstadt ins Herz. Die Zunft hatte ihn in den Heeresdienst des neuen Stadtherrn gezwungen. Er hasste jeden Tag, den er auf dem Rücken der Streitrösser verbringen musste, statt in der Werkstatt Lettern auf Setzerschiffe zu reihen.
»Und Pfeddersheim«, grölte einer vor ihm.
Was trieben sie hier nur, vor dieser roten Sandsteinmauer, vor diesem braunen Balkentor?
»Und Weinheim, habt ihr den Spaß schon vergessen?«
Vor Angst hatten die Klosterleute ihre Gerätschaften gar draußen stehen lassen, zwei Rollwagen mit Heu, die Deichsel ganz quer gestellt. Ein paar Zuber und eine Milchkanne waren vor der Nebenpforte am Bach umgekippt, sogar ein voller Wäschekorb stand noch unter einem Baum.
»Und Ilbesheim.«
Der Schlamm vor den Mauern zeigte Spuren vieler Füße, Pferdeäpfel und Eselsmist. Was störten sie nur diesen arbeitsamen
Frieden? Romuald war dankbar, dass er auf dem hintersten Pferd saß. Gerüstet zwar, aber noch ohne Schwert und Spieß. Die Heeresknechte beargwöhnten ihn, das wusste er. Sie trauten ihm nicht, dem neuen Geleitmann des Grafen. Nicht nur, weil er aus Mainz stammte, sondern auch, weil er nicht mit ihnen soff.
Die Reiter schlossen derweil zum Grafen Spanheim auf und lenkten die Pferde vor dem Tor in ein Halbrund.
Den ganzen Weg schon, das Tal herauf, hatte es Romuald gegraust. Was war das für ein ehrloses Handwerk, zu dem ihn der Meister verurteilt hatte? Sah er doch an den gerichteten Stegen und den sich leise drehenden Mühlrädern, dass sich die Bauern hier redlich mühten, Korn und Flachs und Vieh auf dem Klosterland hochzubringen.
»Zieht neue Pfeile auf, aber schießt noch nicht«, befahl Spanheim.
Es blieb Romuald nichts anderes übrig: Er griff zu seinem Köcher und spannte einen Pfeil in den Bogen ein. Einmal nur hatte er gegen einen Befehl aufbegehrt. Das war bei einem Gelage nach dem Brand von Gundersheim gewesen. Der Graf hatte ihn so verdreschen lassen, dass er drei Tage nicht hatte stehen können. Seitdem schwieg er lieber.
Romuald spannte den Bogen. Gegen das Setzen von Bleilettern war das Kriegshandwerkzeug ein Kinderspiel. Im Krieg musste ein Mann nicht denken können, hatte er nur ein bisschen Kraft im Leib. Hätte der Graf Spanheim Romuald nicht auch zum Schreiben von Befehlen gebraucht, so hätte er ihn wohl wegen seiner Aufsässigkeit totschlagen lassen.
»Fasst diesmal ein Ziel, schießt ihnen die Dauben vom Dach.«
»Nennst du das Schutz, du Lump?«, rief die Frauenstimme wieder. »Bedrohst mein Kloster, nennst keinen Namen, keinen Stand?«
Der Graf wedelte höfisch mit dem Federhut. »Oha, Äbtissin.
Wollen wir der Höflichkeit ihren Wert belassen. Graf Spanheim – werte Enhardis von Eberstein.Wollt Ihr in Fehde verlieren wie Euer Bruder gegen den lahmen Haro von Walberg?« Er warf den Kopf in den Nacken und brüllte vor Lachen, die anderen fielen ein.
Wie eine Herde Vieh. Romuald hielt den Mund geschlossen. Das wollten Männer von Stand sein? Hätte Mainz nicht gebrannt, hätte das Feuer nicht, als die Stadt schon verloren, das Haus seiner Mutter und Schwester schwer beschädigt, Romuald würde schon längst wieder Zeile um Zeile setzen, statt hier unschuldige Nonnen aus ihrem Haus treiben zu müssen. Er hätte Geld für die
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