Die Goldmacherin Historischer Roman
dem Sattel, hielt sich am Seil fest, fand Tritt an der Wand, zog sich hoch. Mit dem Schild auf dem freien Arm schützte er seinen Kopf vor den Steinen der Klosterleute.
»Einer bestürmt die Mauer, Herrin!« Oben überschlug sich die furchtsame Stimme eines Halbwüchsigen.
Gleich hatte er die Mauerkrone erreicht. Schwer krachten die Bollen auf seinen Schild, die Wucht der Zündung riss ihm den Arm zur Seite hin weg. Aber er brachte den Schild rechtzeitig vor dem nächsten Feuertäubchen wieder hoch. Romuald griff nach dem Haken, schwang sich, den Schild voran, halb geduckt auf die Mauerkrone. Einen Bauern nur brauchte er zu erhaschen, dann spränge er mit ihm von der Mauer. Der Boden unten war weich genug, sie würden sich nicht die Knochen brechen. Er lugte über den Schildrand zum Torhaus hin. Einen Bauer nur … Er blickte durch den Rauch zum schmalen Maueranschluss hin und sah – rotgoldenes Haar!
Eine seltsame Stille umgab Romuald mit einem Mal, alles um ihn herum schien wie eingefroren. Da stand sie. Seine Aurelia, die der Rat als mittel- und mündellos aus der Stadt vertrieben hatte. Seine Aurelia, die er längst auf der Landstraße verhungert oder von den Menschenhändlern an die Türken verkauft geglaubt hatte.
Romuald prallte gegen den Mauerstein zurück und hob den Schild gegen den Steinhagel vors Gesicht. Wieder wagte er einen Blick hinüber zum Torhaus. Zwei Nonnen standen dort, eine mit schwarzem Haar hielt sich die Haube gegen den Wind fest. Die andere raffte das Habit. Ihre rotgoldenen Haare schienen im Rauch der Feuertäubchen wie Flammenzungen zu lodern.
Der Teufel quälte ihn mit Höllentrug. Gewiss.Was bestürmte er auch so sündig diesen geweihten Ort? Wie sollte Aurelia, so sie noch unter Gottes Himmel lebte, in ein Nonnenkloster gekommen sein und den Habit tragen, in so kurzer Zeit? Manche Stadt nahm sie als Tochter eines Alchemisten nicht auf, ein Kloster gleich gar nicht. Romuald hörte den Teufel
lachen, vielleicht war’s auch nur der Graf unten vor dem Tor. Ein Stein traf seine Brust, ein anderer den linken Fuß.
Drüben am Torhaus zeigte die Äbtissin mit ausgestrecktem Arm auf ihn. »Spritzt das siedende Pech auf den Ritter!«
Heiß traf es Romuald am Bein. Der Schmerz nahm ihm die Entscheidung ab wie auch die schwarzrauchende, brennende Pechlache auf der Mauerkrone. Er kroch zurück und griff nach seinem Seil, schwer sackte er außen die Mauer hinunter.
Der Reiter hatte die Mauerkrone erklommen, gleich würde er auf sie zustürmen. Oder zu Wallis Mann hinüberstürzen, der sich zum Dach des Ostflügels hin gerettet hatte.
Aurelia winkte dem Dienstmann, er solle zur Leiter hin, die von unten an das Dach gestellt wurde. Sie war froh, dass die Leute im Hof unten wenigstens mitdachten. Der Gesindemann konnte so vielleicht schnell genug von der Mauer steigen, bevor ihn ein Speer oder ein Pfeil des Reiters niederstreckte. Gegen die geübten Schwertkämpfer kamen sie mit den Steinen nicht an.Was sollten sie bloß tun?
Der Reiter hob den Schild – und Aurelia erstarrte. Diese Wangen, dieser Mund, das dunkle Auge, die schwarzen Locken! Der Mann glich ihrem Romuald so sehr … Oh Gott. Nein, er war es! Sie schlug die Hand vor den Mund.
»Sorge dich nicht, der Kerl wird uns nichts tun. Dein Vorschlag war richtig«, flüsterte Enhardis hinter ihr.
Doch Aurelia hatte nur Augen für Romuald. Dann lebte er noch, wie sie es so sehr gehofft hatte. Die Freude darüber ließ sie alles vergessen. Sie zerrte an ihrer Haube, wollte ihr Haar zeigen, damit er sie erkenne, ihn beim Namen rufen. Doch da stürmte jemand an ihr vorbei.Was war das? Es roch schweflig nach siedendem Pech. Das durften sie nicht tun. Nicht mit Romuald. Er würde verbrennen. »Nein!«, schrie sie so laut sie konnte.
Doch man missverstand sie.
»Hat er unser siedendes Pech erst einmal gefühlt, wird er sich nicht trauen, weiter heranzustürmen.«
Oh Gott. Sie selbst war auf den Gedanken gekommen, dass sie mit dem erhitzten Steinöl das Pech flüssig machen und es Mauerstürmern aufs Haupt gießen könnten. Und nun strafte sie der Himmel für diese Unmenschlichkeit. »Nein!«
Irgendwer hatte das flüssige Pech in einen Blasebalg gekippt. Der Gesindemann auf dem Mauerabsatz sprang einen Schritt vor und wartete auf Enhardis’ Befehl.
»Spritz das siedende Pech nach dem Ritter!«
Aus dem Mundstück des Balgs spritzte ein heißer Bogen schwarzen Pechs hinüber zu Romuald. Aurelia hörte seinen Schrei. Er wälzte
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