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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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entlang hinunter zum Platz vor dem Dom.Verzierte Schnitzereien, gar Fenster mit Buntglas schmückten die vornehmen Kaufmannsläden, wo die Leute zu dritt oder zu viert auf Samtkissen gestützt sich hinauslehnten. Gierige Augen starrten von überall, die einen Blick auf sie erhaschen wollten.
    »Die Hex’ kommt, bekreuzigt euch!«, schrie eine Frau. »Weihwasser schützt uns.«
    Wassertropfen besprenkelten Aurelia oder war es Harn?
    »Seht, wie es zischt, so heiß ist der Teufelsbraten«, grölte einer.
    Ihre Haut war fast blau vor Kälte. Lachende, hämische Gesichter strömten aus den winkeligen, schmalen Nebengassen herbei. Aurelia betäubte das Geschrei mehr noch als der eisige Wind. Ihre Gedanken vermischten sich mit Erinnerungen an andere Städte. Sie hörte Fetzen fremder Sprachen … Das war eine gute Zeit gewesen mit Vater und Mutter, im Süden am blauen Meer mit all den Düften nach Orange und Lavendel …
    Etwas traf sie am Kopf, eine stinkige Flüssigkeit ergoss sich über ihre Schulter und lief ihr zwischen den Brüsten ins Büßerhemd. Der Ekel riss Aurelia ins Jetzt zurück, sie stand auf dem Henkerskarren in Speyer.
    Der geschundene graue Rücken des alten Eselchens vor ihr verschaffte ihr auf einmal Trost. Sie war nicht die einzige gequälte Kreatur.Wieder und wieder schlug der Henkersknecht auf das Tier ein. Dabei konnte es so wenig wie sie für das Unrecht, das ihm angetan wurde.
    Nur noch Wasser hatte sie in den letzten vier Tagen bekommen. Am Sonntag bist du tot. Mehr hatte die Stimme nicht gesagt, als jemand ihr den Krug in den Kerker gereicht hatte. Und auch sonst hatte keiner mehr mit ihr gesprochen, bis jetzt.
    Arme reckten sich am Gassenrand, Unrat flog auf den Karren, streifte den Esel und Aurelia selbst. Sie schloss die Augen
und suchte jetzt schon die Gesichter von Vater und Mutter, von denen sie nicht mehr lange getrennt sein würde. Ein paar Stunden Schmerzen noch, dann würde die Ewigkeit sie erlösen.
    »Friss, du Hex’!«, geiferte eine alte Vettel. Tote Frösche prasselten auf den Karren und den Eselsrücken nieder.
    »Und hier, deine Leibspeis!« Ein feister Mann mit hochrotem Kopf schwang den Arm im schwarzen Priestergewand.
    Wieder traf sie etwas, diesmal an der Stirn. Aurelia schrie geknebelt auf. Etwas Schleimiges lief an ihrem Ohr vorbei.
     
    »Was fressen könnte ich auch, bloß keine Frösche.« Der Landsknecht Angermann drückte sich vor Romuald durch die Menge in der schmalen Gasse, die zum Domplatz führte. Der graue Streifen Mittagshimmel zwischen den Firsten wurde von Haus zu Haus breiter.
    »Die Hexen fasten nie, die lassen Säuglingsfett in Bettpfannen aus und braten Kinderhirn darin.« Ein Wagener mit einem Ledergurt um den Leib hob vor Romuald wissend den Zeigefinger.
    »Mach Platz.« Angermann schob den Kerl einfach weg. Lang und dünn wie er war, wurden seine Kräfte oft unterschätzt.
    »Willst du eins auf die Nuss?« Der Wagner zeigte die Faust.
    »Keile dich später, ich will die Hexe nicht verpassen«, rief ein Weib mit gefältelter Haube an seiner Seite.
    »Da hörst du es.« Romuald tippte dem Wagner an die Brust. »Vertrau auf dein Weib, die Fäuste von uns Herzogsknechten schmecken bitter.« Er rempelte ihn gegen die Schulter. Der Mann knurrte vor Wut, aber seine Frau hielt ihn zurück.
    Romuald wand sich im Gedränge zwischen den vielen Leibern hindurch. Er war froh, dass sie endlich Ausgang vom Heerlager hatten.

    Der Herzog hatte ihnen sonst jeden Ausritt bis Ostern verboten, kaum dass er vom gescheiterten Überfall auf Rosenthal erfahren hatte, sogar dem Grafen. Der hatte bei dieser Strafe noch Glück: Spanheim hatte nicht geahnt, dass im Kloster Rosenthal drei Verwandte der Herzogin den Schleier genommen hatten.
    Das Geschrei nahm zu, gleich hatten sie den Platz vorm Dom erreicht. Romuald hatte genug von Feuer und Bestrafung, seine eigenen Narben schmerzten noch manchmal in der Nacht. Als die Kunde von der Verurteilung der Hexe bis ins Heerlager gedrungen war, hatte der Herzog eine Ausnahme gemacht und allen erlaubt, in Speyer gaffen zu gehen. Tut ein christliches Werk, waren seine Worte gewesen. Romuald war sich sicher, dass Spanheim nur die Männer bei Laune halten wollte. Die Speyerer Badehäuser waren beliebt, und die Huren in der Fastenzeit billiger zu haben.
    Doch Romuald hatte nicht wie die meisten die Aussicht auf warmes williges Weiberfleisch in die Stadt gelockt. Er wollte einen Schreiber finden, der ihm Pergament verkaufte oder gar einen

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