Die Goldmacherin Historischer Roman
Kirschduft aufsteigen riechst.«
Er tat wie geheißen. Schnell ging es. Der Geruch allein trieb Aurelia in Gedanken zurück in Romualds Arme, dort an den Hang über Mainz, wo sie zwischen Wiesenkraut und Sommerhimmel seinen Leib zuerst gestreichelt hatte.
»Sie schmurgeln schon, Hexe.«
»Schüre auf und gib eine Schippe davon auf die Schale. Dann streue einen Löffel voll weißen Weihrauchs darauf.«
Es zischte, als die Harzperlen auf die rote Glut fielen.
»Und nun atme tief den weißen Rauch der Mischungen ein. Halte ihn im Leib, atme aus, dann ziehe neuen. Bald wirst du spüren, wie alles verschwimmt, dann weich wird.«
»Und dann vergesse ich. Endlich.«
Sein Seufzer hätte selbst Enhardis zu Tränen gerührt.Aurelia hielt sich an der Wand fest. Sie musste den richtigen Augenblick erfassen. Die Prophetissa empfahl diesen Dampf gegen Schmerzen bei Verbrennungen, so man sie sich bei den Wandlungen versehentlich zugezogen hatte. Unter seiner Wirkung fiel man in einen zwei Tage dauernden Schlaf, träumte lüstern oder gar nicht, verspürte aber keinen Schmerz.
»Ja«, seufzte der Henker. »Du hast mich nicht verraten, Hexe. Alles fließt, der Galgen, der Folterkeller, wird still …«
Aurelia trat leise zu ihm, löste ihm ganz langsam den schweren Schlüsselbund vom Gürtel. Er merkte nichts mehr davon, atmete nur in den weißen Rauch hinein.
»Alles so weich, so weich wie eine Frauenbrust, so schön …«, flüsterte er noch. Der Henker sackte auf die Knie, hielt den Kopf noch in den Rauch, dann kippte er zur Seite aufs Stroh.
Aurelia lief hinaus, den Gang an den Kerkertüren entlang, aus denen kein Laut drang.
Drei Biegungen weiter erleuchteten Fackeln einen hohen Raum voller Brenneisen, eine Streckbank mit Ketten stand an der Seite am rohen Mauerwerk. Sie rannte einfach weiter.
Eine Gittertür versperrte den Weg. Sie zitterte, während sie die Schlüssel einen nach dem anderen ins Schloss steckte, so schwer war der Bund. Der dritte Schlüssel passte. Die Angel knirschte. Aurelia nahm die Wendeltreppe, die hinter dem Gitter nach oben führte.
Am Absatz einen Stock höher zweigten zwei kaum erhellte Gänge ab. Sie lief einfach nach links, traf auf ein weiteres Gittertor, der fünfte Schlüssel drehte sich diesmal im Schloss.
Wieder fand Aurelia ein Wendelhaus, das nach oben führte. Doch schon nach wenigen Stufen kam ihr auf der runden Wand ein Schattenriss entgegen. Sie sah ein bärtiges Gesicht. Der Mann stutzte.
»Die Hexe ist frei!«, schrie der Wachmann heiser und richtete seinen Speer auf sie. Aurelia machte kehrt, sprang immer zwei Stufen nach unten bis zur Abzweigung.
»Bleib stehen,Teufelsweib!« Ein zweiter, grauhaariger Wächter hielt eine brennende Fackel in der Hand. »Vor dem Feuer habt ihr noch allemal gekuscht, ihr Hexenvolk.« Er fuhr immer wieder mit der Fackel durch die Luft, drang auf sie ein.
Aurelia warf in letzter Verzweiflung den schweren Schlüsselbund nach seinen aufgerissenen Augen – und traf nicht.
»Seng sie bloß nicht an, Knecht!«
Aurelia presste die Fäuste vor die Brust, als ein neuer Schattenriss auf der Treppenwand zu ihr heruntergeschritten kam.
»Bischof! Bleibt lieber, wo Ihr seid. Die Hexe ist mächtig. Sie hat sich aus dem Verlies herausgezaubert.«
»Das Zeichen des Allerhöchsten wird sie bannen.« Im Gesicht des schönen Bischofs stand so etwas wie Spott. Aurelia senkte die Fäuste. Fast schien es ihr, als gälten die gekräuselten Lippen mehr der Angst der Kerkerknechte als ihr. Dennoch
hielt er wie bei einer Teufelsaustreibung sein goldenes Bischofskreuz auf Augenhöhe vor ihr Gesicht. »Du wirst dich diesem Herrn beugen, Hexe. Zurück in deinen Kerker.« Es klang wie eine Einladung zu einer lüsternen Tat.Verließ sie ihr Verstand, sprach der Bischof etwa wirklich so? Aurelia erschauderte vor dem spieglerischen Kirchenfürsten.
»Kettet ihre Hände und Füße an!« Die blauen Augen des Bischofs ruhten unerbittlich auf Aurelia.
»Dank Euch, dass Ihr mich habt rufen lassen. Wenn sie den Henker behexen kann …« Die Äbtissin Enhardis schlang den grünen Reisemantel noch enger um ihren Leib. »So mache ich mir keinen Vorwurf mehr, Bischof, dass sie unsere Umsicht vernebeln konnte.«
Aurelia fühlte nichts mehr, nicht einmal Angst vor dem Tod, obwohl sie Metall auf Metall schlagen, Brenneisen in der Glut zischen hörte. Der Bischof hatte sie in diese enge Stube schaffen und stehend an Ringe anketten lassen.
Er stand mit der Äbtissin vor
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