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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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Brief an seine Mutter nach Mainz schaffen konnte. Ewig mochte Romuald nicht im Heere dienen. Der Zunftmeister sollte eine andere Lösung finden.
    Aus dem Winkel des Gassenmunds am Platz konnte Romuald den hohen Dom nicht richtig sehen. Dabei hätte er zu gern gewusst, ob er mächtiger aufragte als der zu Mainz.
    Aufgepflanzte Speere hinter einem Banner des Bischofs, mit dem Silbernen Kreuz auf blauem Grund, zogen durch die Menge. Die Schergen verschafften dem Schandkarren freie Bahn.
    »Die Hexe, seht, was ist sie teufelsschön. – Beeilt euch, dass der Teufel sie nicht noch vor uns kriegt.« Mit aufgerissenen Mündern keiften alte Frauen, die Männer drohten mit den Fäusten in der Luft nach vorn.

    Ein altes Männchen in Bauerntracht lehnte neben Romuald an einer als Spindel geschnitzten Hausecke. »Wie Höllenglut leuchtet ihr Haar, so rot wie Gold«, sagte es heiser. Der Geifer lief ihm aus dem zahnlosen Mundwinkel.
    Teufelsschön? Rot wie Gold? Romuald durchfuhr ein heißer Schreck. Das konnte nicht sein! Er packte die Leute vor ihm an der Schulter, stürzte an ihnen vorbei, scherte sich nicht um deren wütende Klagen. Er musste die Hexe sehen, einmal nur, und zwar jetzt, sofort. Er musste wissen, ob sie es war. Leiber, graue Mäntel, braunes Wollzeug, zu viel Volk stand im Weg, ein Gespann ragte quer in seine Bahn. Er kämpfte sich nach vorn durch. Ein Rad rollte in sein Sichtfeld. Da sah er sie auf dem morschen Schandkarren stehen. Er krallte die Hände in sein Wams über der Brust, als er schrie: »Aurelia!«
     
    Romualds Stimme riss sie aus dem Wohlklang des mütterlichen Gesangs, aus den Erinnerungen, denen sie sich ganz anheimgegeben hatte. Romuald! Der Knebel in ihrem Mund erstickte sie fast. Er musste hier gleich neben dem Karren zwischen den Gaffern stehen.
    »Ist das ihr Buhle?«, brüllte einer.
    »Nehmt euch in Acht, sie behext die Männer!«, keiften Frauenstimmen.
    Ich bin unschuldig! Der Stoff im Mund schluckte auch diesen Schrei. Romualds Blick lag auf ihr, sie fühlte ihn am Hals, auf ihrem gebundenen Leib brennen, er wärmte ihr halb erfrorenes Fleisch und zerriss ihr das Herz.
    Nicht einmal die Augen konnte sie ihm zuwenden, so fest war das Lederband an ihrer Stirn gezurrt. Er durfte nicht denken, dass sie eine Hexe war und nur dem Teufel hörig. Wenn sie je einem Mann gehört hatte, dann Romuald. Der Himmel war ihr Zeuge. Aurelia flossen die Tränen, endlich, endlich
konnte sie wieder weinen. Gott, was entreißt du mich ihm? Was habe ich denn getan, dass du mich so bestrafst?
    »Der Teufel soll dir helfen, wenn er kann«, drang ein hämischer Schrei an ihr Ohr.
    Warum dürfen all diese Schandmäuler leben? Und wir, wir finden kein Glück. Romuald … Der Karren bog zum Dom hin nach rechts ab, rumpelte weiter bis vor ein hochgemauertes Steinhaus.
    Aurelia konnte im ersten Stock einen Altan erkennen, auch schwarze Mäntel, dazu einen roten und einen grünen. Der Klerus starrte mit harten Gesichtern auf sie herab. Der Bischof war ohne Hut, hellhaarig wie ein Engel hob er das kantige Kinn. Daneben stand die Äbtissin Enhardis.
    Aurelia blinzelte die Tränen weg. Unter dem Altan standen die einfachen Priester – und Schwester Susanne, Pereldis und Gertrud! Sie hoben die gefalteten Hände zum Gruß vor die Brust.
    Du bist keine Hexe, wir wissen es und beten für dein Seelenheil. Der Herr sei mit dir. Stimmlos formten Susannes Lippen diese Botschaft. Über ihre runden Wangen flossen stille Tränen.
    Kraft strömte Aurelia auf einmal zu, nicht in die Arme oder Beine, sondern ins Gemüt. So waren wenigstens drei Menschen von ihrer Unschuld überzeugt, drei Seelen, die dereinst für sie sprechen könnten.
    Wenn sie doch nur Romuald sehen könnte! Aurelia verfluchte das Band über ihrer Stirn.
    Die Henkersknechte hielten das alte Eselchen am Strick, den Blick hoch zum Altan auf den Bischof gerichtet. Der streckte den Arm aus und wies zum Domvorplatz.
    Kreisrund waren die Scheite vor dem Portal aufgeschichtet, hoch wie ein halbes Stockwerk, darin ragte ein Pfosten auf. Ein Knecht sprang schon hinter sie und löste den ersten Strick. »Halt bloß still, sonst muss ich dich mit der Eisenkette schlagen«, zischte er.

     
    Romualds Gedanken rasten, suchten einen Ausweg. Wie, um Himmels Willen, konnte er Aurelia bloß befreien? Romuald kämpfte sich in der Menge voran, die aus den Gassen hinter dem Karren herströmte. Er musste bei Aurelia sein, irgendwie an sie herankommen, sie vom Karren reißen.

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