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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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dir Fleisch zu essen, Gemüse, alles was du magst. Sogar Zuckerwerk vermag ich dir zu beschaffen.« Er setzte flüsternd hinzu: »Wenn du mir wirklich hilfst.«
    »Ich? Hier, im Kerker?« Fast tat ihr der gekrümmt verharrende Bär leid. »Was willst du?«
    »Vergessen.« Er wandte den Blick ab. »Schaff mir, Hexe, schaff mir einen Vergessenstrank, dass ich all die Seelen vergesse, die ich durch meine Hände habe gehen sehen.« Der Henker betrachtete seine Finger. »Wasser und Welschseife helfen längst nicht mehr.«
    Aurelia rieb sich über die Stirn. Ihr fiel nichts ein, denn Vergessenstränke kamen in der Alchemie nicht vor. Sie hatte das Buch der Prophetissa studiert, aber die Heilschriften Mechthilds weniger gründlich gelesen. Aurelia richtete sich auf der Pritsche auf. Es sei denn, sie versuchte es mit …
    Sie hatte nichts zu verlieren. »Kannst du herbeischaffen, was ich dazu brauche?«
    »Keiner in Speyer schlägt dem Henker einen Gefallen ab, wen er auch bittet. Die Furcht vor mir ist groß.«
    »Kannst du hier unten auch Glut halten für zwei Stunden?«
    Er lachte leise zwischen den Zähnen. »Soll ich dir die Brenneisen zeigen, die ich manch einer Hexe wie dir aufdrücken muss? Zehn Stück auf einmal kann ich erhitzen.«
    An die Folterwerkzeuge hatte Aurelia noch gar nicht gedacht, die solch grässliche Schmerzen bereiteten. Sie hielt sich an der Wand fest und brauchte eine Weile, bevor sie weitersprechen konnte. »Ich werde dir helfen. Unter der Bedingung, dass du mir Stift und Pergament bringst und einen Brief hinausschaffst, den keiner außer dem Empfänger lesen darf.«
    Er schlich auf sie zu, noch immer gebückt, und hob den Lappen der Kappe über seinem Ohr. »Sag dem Henker, was du für den Trank brauchst, Hexe. Nichts kann ich vergessen, das ich gehört habe. Nichts. Keinen einzigen Schrei auf dem Scharfrichterblock, keinen aus dem Feuer. Sprich.«
    Sein frisch gewaschenes Ohr roch nach Ringelblume und feinem Öl. Aurelia sammelte sich. Es gab eine Stelle bei der Prophetissa, die hilfreich sein könnte. »Vier Dinge. Weißer Weihrauch, trockenes Schlehenholz, frische Rinde von der Eibe und getrocknete Tollkirschen, so viele du kriegen kannst. Aber erst Stift und Pergament für den Brief.«
    Er brummte nur, verschwand eine kurze Weile, dann brachte er ihr Schreibzeug. »Das Windlicht muss ich nachher wieder mitnehmen.« Mit verschränkten Armen blieb er bei der Tür stehen.
    Aurelia setzte den schwarzen Fettstift auf dem gekalkten, weichen Leder an. Romuald musste alles erfahren, damit er die Lügen nicht glaubte, die die Äbtissin gewiss ausstreute. Wenn aber Aurelia in Romualds Augen unschuldig starb, so hatte ihre Liebe nicht umsonst in ihrer Brust gewohnt. Romuald, Geliebter, das Schicksal wollte, dass ich aus Mainz als Mittel- und Mündellose vertrieben wurde. Die Nonnen zu Rosenthal haben mich aufgenommen. Dort wollte ich nur den Winter überstehen …
    Aurelia wischte sich die Tränen von den Wangen und schrieb weiter.

22
    S chon am nächsten Tag glimmte Glut in einem Becken in ihrem Verlies. Der Henker packte Bündel von Holz, und wie sie es verlangt hatte, ein Säckchen voll Tollkirschen daneben.
    »Hier.« Er reichte ihr eine Ebenholzdose auf die Pritsche. »Aus dem Dom. Feineren Weihrauch gibt es nicht.«
    Aurelia hielt die Nase über die geöffnete Dose, der herrliche Duft entrückte sie für drei Wimpernschläge in einen anderen Dom, den Rhein hinab nach Mainz, wo sie Romuald über die Reihen der Menschen hinweg betrachtet hatte, sein feines Gesicht und seine dunklen Locken.
    Er fuhr mit den gewaschenen Händen in die Kutte, als fürchte er eine Berührung. »Wann machst du mir den Trank, Hexe?«
    Aurelia hatte es sich gut überlegt, und so kniff sie die Augen zusammen und tat wichtig. »Ich lehre dich etwas Besseres, Henker.«
    »Ich will nichts lernen. Ich will vergessen.«
    Sie lieh sich bei Senta, der Nonne, deren hoffärtige Haltung, reckte das Kinn und schmunzelte verführerisch. »Das wirst du.«
    »So sag wie.«
    »Brich die Hölzer in daumengroße Stücke, reibe die Rinde über eine grobe Raspel. Die Tollkirschen wirfst du zuletzt in die Schale.« Aurelia griff zum Pergament. »Wenn du fertig bist, verrate ich dir mehr.«
    Schon knackten die Hölzer über dem Becken. Der Henker
hatte ihr den breiten Rücken zugewandt, als er das Säckchen mit den Tollkirschen über Rinde und Holz ausschüttete.
    »Stelle die Schale nun auf die Glut. Warte, bis sie ganz heiß ist und du

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