Die Goldmacherin Historischer Roman
Romuald verfluchte sich, dass er kein Messer aus dem Heerlager mitgenommen hatte. Aurelia war keine Hexe, niemals! Wie konnte sich ein hohes Gericht nur so irren? Hatte sie ihr widerständiger Geist in diese Lage gebracht, oder hatte sie irgendwo versucht, Pulver wie ihr Vater anzubieten? Die Alchemie ihres Vaters galt vielen als Zauberkunst.
Die Menge stockte plötzlich. Die Gaffer reckten die schmutzigen Hälse, Hauben fielen, Hüte wurden den Davorstehenden weggezerrt. Nur zehn Schritt trennten Romuald noch von ihr. »Aurelia!« Sie sollte seine Stimme hören. Es war ihm gleich, ob ihn einer als Hexenbuhle am Kragen packen wollte, er tauchte einfach zwischen Armen und Leibern weg. Weiter nach vorn, er musste sie irgendwie befreien.
Da! Der Henkersknecht schulterte Aurelia, seine Aurelia, wie ein Tier, das er im Wald des Fürsten gewildert hätte. Was wusste er von ihrer zarten Haut, ihrem Liebreiz, ihrer Sanftmut? Romuald verging vor Zorn über die Menschenmenge, die ihn von Aurelia wegdrückte.
»Der Herr wird ihre Seele erlösen«, murmelte eine Nonne neben ihm.
»Sie hat sieben von uns vorm Fiebertod gerettet«, flüsterte die Zweite. »Wenn ich es ihr nur danken könnte.«
»Bete zum Himmel, etwas anderes dürfen wir nicht tun.«
Romuald verwirrten die geröteten Augen. »Bittet euren Bischof um Gnade.« Er packte die Erste am Arm. »Ich flehe euch an!«
Die junge Nonne erschrak und drängte sich näher an die Zweite. »Er wird uns nicht glauben. Er hält uns für behext.«
Erst jetzt nahm Romuald die weißen Nonnenhabits wahr. Ihm schwankte der Boden unter den Füßen. »Seid ihr etwa aus Rosenthal?«, fragte er die Nonnen mit rauer Stimme.
Sie nickten.
Er hieb sich mit der Faust an die Stirn. »Ich habe bei dem Angriff meine Aurelia also wirklich gesehen und sie doch nicht erkannt.« Das konnte einfach nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, wo er sie doch so sehr liebte. Romuald wandte sich um zum Schandkarren. Der Teufel hatte ihn verblendet, anders war es gar nicht möglich. »Ich werde selbst beim Bischof um Gnade flehen. Sie ist keine Hexe, sondern die Tochter eines …« Ein tausendstimmiges Raunen der Menge verschluckte seine Worte. Hochrufe erschollen. Romuald stellte sich auf die Fußspitzen, irgendetwas musste er doch tun. Herr im Himmel, hilf mir doch. Zeig mir einen Weg.
Zwei Henkersknechte trugen Aurelia an den Pfahl des Scheiterhaufens, fesselten sie mit einer Kette und sprangen wieder herab. Ein dritter goss aus einem Fass Steinöl auf das Holz.
Die Menge verfiel in Schweigen. Auf der Brüstung des Palastaltans hob der Bischof den Arm zum Platz hin.
»Wartet, wartet!«, schrie Romuald aus Leibeskräften. Leute stierten neugierig zu ihm her, doch der Bischof schien seinen Ruf nicht zu hören.
»Die Fackeln … Jetzt!«, befahl er von der Brüstung herab.
Von vier Seiten warfen die Henkersknechte lodernde Fackeln ans Holz. Das Steinöl entzündete sich, plötzliche Hitze der Brandluft wallte über alle Gesichter. Niemand achtete mehr auf Romuald, so sehr starrten alle auf den Scheiterhaufen. Romuald stürzte nach vorn. Er musste Aurelias Ketten lösen, irgendwie.
Doch er kam zu spät. Die Flammenwand vor ihm wuchs und wuchs. Heiß leckte das Feuer schon über seine Hände und sein Gesicht.
»Verschwinde, Kerl.« Ein Knecht des Bischofs riss ihn vom Scheiterhaufen weg und zerrte ihn zur Seite. »Schleich dich! Bei uns klaut keiner dem Henker das Hexenfett!« Er trat Romuald in den Hintern.
»Sie brennt!«, sangen die Ersten. »Die Hexe brennt!«
Romuald fiel auf die Knie zwischen die Leute. »Aurelia, meine Aurelia.« Er presste die Unterarme vor seinen Leib. Er hatte versagt, furchtbar feige versagt, und sie nicht aus diesem Wahn entreißen und schützen können.
In weißen Stoff gehüllte Frauenarme richteten ihn auf. Leise flüsterte eine der Nonnen ihm zu. »Zeig dein Leid besser nicht, sonst wirft man dich als Buhle gleich dazu.«
Und wenn schon? Wozu lebte er, wenn er Aurelia nicht hatte retten können? Sie schon ein zweites Mal nicht retten konnte. Nun erlitt sie einen grässlichen Tod. Die aufzüngelnden Flammen verschwammen vor seinem tränenerfüllten Blick.
Aurelia hatte Romuald noch einmal gesehen, bei Susanne und Pereldis, gerade als die Flammen aufloderten und der heiße Schwall über ihr Gesicht leckte. Seine Gestalt schien auf und verschwand, wie es der tödlichen Flammen Lust war, die ihr den Blick auf die Gasse nahmen. Steinöl zum besseren Zünden,
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