Die Goldmacherin Historischer Roman
klagte er den Himmel an. Sein Kopf sank in seinen Nacken. Ein flacher Wagen voller Werkzeug, Ballen und Holz rollte an ihm vorbei.Vorn auf dem Bock sah er den breiten Rücken des Henkers in der roten Kutte, der einem Pferd die Peitsche gab.
Romuald spuckte nach ihm aus. Und schon einen Atemzug später hob sich sein Magen. Er erbrach sich neben die Steinstufe.
»Du kannst es auch nicht sehen, Bruder.« Jemand reichte ihm einen Becher mit Branntwein.
Romuald lehnte sich kraftlos gegen den Türpfosten. Ein Studiosus in schwarzer Kluft setzte sich zu ihm. Romuald griff zu dem Becher und stürzte den Schnaps hinunter.
»In den heiligen Schriften steht nichts davon, dass Hexen brennen müssen. Das Kreuz allein reicht, ihren Zauber zu bannen.« Der Studiosus schenkte ihm nach. »Gott verlangt das nicht. All die armen Leute brennen um der Herren willen.«
Romuald gab ihm den Becher zurück und rappelte sich auf. »Solchen Herren muss ich dienen. Ich … ich muss fort.« Er wankte durch die Gasse davon. Der Schnaps fachte den Aufruhr in seinem Blut an.Aber was war das Feuer in seinem Leib gegen das, was Aurelia ertragen hatte?
Er würde den Bischof dafür sterben lassen. Aug um Aug, Zahn um Zahn. Der hatte ihm geraubt, was ihm das Liebste auf der Welt war. Romuald lief in die nächste dunkle Seitengasse
hinein. Der Rachedurst kühlte seinen Verstand. Er minderte den Schritt und hielt sich im Schatten. Für solch einen Racheplan musste er wahrlich vorsichtig sein. Mainz war nicht so weit den Rhein hinunter und wichtig war jetzt vor allem, dass niemand von dort ihn in Speyer als Aurelias Verlobten erkannte.
24
D er blaue Reif, den sie in die Luft geschleudert hatte, verschwand wie auch das glockenhelle Lachen verklang … Aurelia lag weich, unter ihr schlingerte das Bett. Sie tastete nach dem Laken, blinzelte ins Dämmerlicht. Nein, das Bett wiegte sich wirklich. Wer so herzlich in ihrem Traum gelacht hatte, wusste sie schon nicht mehr. Die Erinnerung an den Scheiterhaufen – der viele Rauch, die Feuerhitze – traf Aurelia wie ein Faustschlag in die Magengrube. War sie etwa schon tot, der Henker doch der Todesengel gewesen und dies duftende Bettzeug ein Teil des Paradieses?
»Bist du endlich aufgewacht, Kleine.«
Die melodische Stimme vernahm sie am Kopfende des Bettes her. Aurelia erkannte den Tonfall, so sprachen die Leute aus der Lombardei Deutsch. Sie drehte sich mühsam herum, wobei sie ihre Arme, Beine, der ganze Leib mit ziehenden Schmerzen quälten.
Eine nicht mehr ganz junge Frau mit langen schwarzen Haaren und einem tiefbraunen Gesicht beugte sich zu Aurelia herab. Sogar ihre Augen waren fast schwarz. Ein karminrotes Band hielt die Haare aus der wunderbar hohen Stirn. Die Lippen waren mit Paste in der gleichen Farbe geschminkt. Eine fahrende Dirne, gewiss, aber keine, die sich Bauern hingeben musste. Ein goldener Armreif blitzte auf, als sie Aurelia eine Strähne aus der Stirn strich. »Habe keine Angst, du bist in Sicherheit.«
»Wer bist du?«
»Ich bin Mona.« Ihr Lächeln gab kurz den Blick auf sehr weiße Zähne frei.
Aurelia hatte genug Dirnen das Gebiss bleichen sehen. »Wo bin ich?«
»Auf dem Rhein.« Monas schlanker Leib wiegte sich wie der Boden unter dem Bett.
Kein Karren, ein Boot! Aurelia befühlte mit den Fingern die Wäsche an ihrem Leib. Feines Leinen, und ihre Hände, ihre Unterarme rochen sauber. »Hast du mich gewaschen?«
»Frage nicht so viel, Mädchen.« Mona erhob sich, ihr grünes Wollkleid warf aufwändige Falten. »Komm. Mein Herr schätzt es nicht, wenn man seinen Befehlen nicht gehorcht.« Sie streckte ihr die Hand hin.
Aurelia zögerte.
»Lass ihn nicht warten. Es ist nicht gut für dich, glaube mir.« Mona nahm einen braunen Mantel aus einer düsteren Ecke und breitete ihn neben Aurelia aus. »Neue Fellschuhe stehen vor dem Bett.«
»Wer ist dein Herr?«, fragte Aurelia, während sie in die Kleider schlüpfte. Sie war nicht im Paradies, aber auch nicht in einer irdischen Hölle. Wollte man sie umbringen, hätte man sich nicht diese Mühe mit ihr gemacht. Die Erleichterung ließ sie fast schweben.
Statt ihr zu antworten, schlug Mona die Vorhänge auseinander.
Ein milchig grauer Himmel wölbte sich über dem Fluss. Aurelia roch auch die feuchte Luft. Wie lange schon hatte sie den breiten Fluss nicht mehr gesehen. Die Rheinauen waren noch unbelaubt, nur hie und da spitzten erste Blättchen an Sträuchern und ragten die vertrockneten Halme der Großgräser auf. Sie
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