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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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wimmelte vor Menschen, die den sonnigen Nachmittag nutzten, um sich von den Gauklern unterhalten zu lassen. Das Stimmengewirr hüllte sie augenblicklich ein. Dicht neben dem Zelt hörte sie eine Schalmey, jemand schlug die Trommel. Sie schmunzelte, denn Baldos Trommelschlag klang noch ungeübt. Gelächter verriet ihr, dass Victorius in der Nähe seine Späße trieb. Der Bär ließ ein tiefes Brüllen hören, und eine Traube Menschen betrachtete mit einer Mischung aus Furcht und Neugier, wie Urban das Tier aus dem Käfig befreite, um seine Kunststücke vorzuführen. Cristin wich unmerklich zurück, die vielen drängenden Leiber und der Lärm schreckten sie. Mathes hatte seine Vorführung beendet. Mit nacktem, eingeöltem Oberkörper und einem Schwert in der Hand stolzierte er unter Applaus auf das Zelt zu, das er sich mit Utz und Michel teilte. Aus seinen Haaren tropfte Schweiß auf die kräftigen Schultern.
    Cristin wollte sich schon abwenden, als sie bemerkte, wie zwei Männer auf ihn zutraten und ihn am Arm festhielten. Die beiden drehten ihr den Rücken zu, doch etwas an ihrer Haltung und der Art, wie sie mit Mathes sprachen, ließ sie aufmerksam werden. Obwohl sie die Ohren spitzte, war es beinahe unmöglich, etwas von der Unterhaltung der drei zu verstehen. Sie trat einen Schritt vor, doch im nächsten Moment versperrte ihr eine junge Frau mit drei kleinen Kindern die Sicht. Eins von ihnen jammerte, und die Mutter bückte sich, um es sich auf die Hüfte zu setzen. Cristin stellte sich auf die Zehenspitzen und lugte an ihr vorbei. Mit schief gelegtem Kopf redete Mathes auf einen der Männer ein, wobei die beiden ihm mehrmals ausweichen mussten, denn sein Schwert kam ihnen immer wieder bedrohlich nahe. Schließlich wendete er sich ab und verschwand im Inneren des Zeltes.
    Einer der Kerle sah sich um, und Cristin erstarrte zur Salzsäule. Dieses Gesicht kannte sie, es hatte sie in ihren schlimmsten Albträumen verfolgt. Es war einer der beiden Büttel, die sie damals verhaftet hatten. Jetzt stand er mit gerecktem Hals da und ließ den Blick über den Marktplatz schweifen. Cristin hielt die Luft an und duckte sich zwischen den vorbeischlendernden Menschen hindurch. Kalter Schweiß brach ihr aus allen Poren. Sie wich zurück und stieß mit dem Fuß gegen eine Fischkiste.
    »Kannst du nicht aufpassen?«, herrschte eine Marktfrau sie an, die hinter ihr einen Stand aufgebaut hatte.
    Sie hob nur entschuldigend die Hände.
    »Verschwinde, Zigeunerin!«, zischte das Marktweib.
    Cristin wandte sich ab. Der Mann war nicht mehr zu sehen. Ihre Schläfen pochten. Wenn er mich findet, ist alles vorbei, schoss es ihr durch den Kopf. Wo war Baldo? Geistesgegenwärtig griff sie nach einem Stück Sackleinen, mit dem die Fischfrau eine ihrer Kisten abgedeckt hielt, und warf sich den Stoff unbemerkt um. Auf einmal vernahm sie die melodiösen Klänge einer Schalmey. Piet! Wo steckte er nur? Mit gesenktem Haupt schlich sie an einer Gruppe Kleriker vorbei, die das muntere Treiben düster beobachteten. Sie traute sich nicht zu laufen oder auch nur den Kopf zu heben und versteckte sich hinter einer kleinen Gruppe, die den Musikanten lauschte. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie sollte sie sich bemerkbar machen, ohne aufzufallen? Sie fühlte, wie ihr der Schweiß den Rücken hinunterlief.
    Eine Hand legte sich ihr auf die Schulter. »Was schleichst du mit diesem Sack …«
    Cristin fuhr herum, und ein weiß geschminktes, lächelndes Gesicht tauchte vor ihr auf. Sie presste eine Hand auf ihr Herz. »Piet.«
    Sein Lächeln gefror. »Was ist los, Mädchen? Ist der Gottseibeiuns hinter dir her? Sprich schon.«
    »Bitte … du musst Baldo holen«, stammelte sie und umklammerte seine Hände. »Wir müssen hier weg. Sofort. Mathes … er hat mich an die Büttel verraten.«
    Piet wirkte verdutzt, dann kam Bewegung in ihn, und er schob sie unter den Planwagen mit dem Bärenkäfig.
    »Ich hole ihn. Rühr dich nicht vom Fleck.«
    Obwohl sie sich flach auf den Boden legte, bekam sie nur schwer Luft. Sand flog ihr ins Gesicht, den ein vorbeifahrendes Fuhrwerk aufwirbelte. Cristin presste die Hände auf ihre tränenden Augen, während sie so still wie möglich dalag. Wo waren die Männer geblieben? Vielleicht steht einer von ihnen schon hinter mir und wartet nur darauf, mich an den Füßen herauszuziehen?, überlegte sie.
    »He!«
    Sie zuckte zusammen.
    »Komm raus. Rasch«, hörte sie Piet zischen.
    Mühsam rutschte sie rückwärts, bis eine feuchte

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