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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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sie tischte ihnen eine Lüge nach der anderen auf. Sie drückte Durettas Hand. »Mach dir keine Sorgen, kümmere dich lieber um Urban, der ist noch immer ganz blass um die Nase.« Sie lächelten einander an.
    Baldo ergriff ihren Arm, warf den Gauklern noch eine Bemerkung zu und zog sie mit sich fort, bis sie den Marktplatz hinter sich gelassen hatten. Am Traveufer setzten sie sich ins warme Gras und lauschten dem Hämmern der Hafenarbeiter, das zu ihnen herüberdrang.
    »Medicus Küppers.« Baldo kratzte sich am Kinn. »Sag, kanntest du ihn eigentlich näher?«
    »Lukas und er hatten gemeinsame Bekannte«, erwiderte Cristin. »Er war manchmal bei uns zu Gast und behandelte uns, wenn wir krank waren. Außerdem war er bei meiner Verurteilung dabei.«
    Baldo nickte nachdenklich, dann hingen beide ihren Gedanken nach. »Das Schwein ist also tot«, unterbrach er schließlich das Schweigen und kraulte Lump hinter den Ohren. »Was kann Küppers dazu bewegt haben, seinem Leben ein Ende zu setzen?«
    Cristin beobachtete ein Entenpaar, das ruhig auf dem Wasser seine Kreise zog. Sie wischte sich einige Schweißperlen von der Stirn und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. »Er könnte einen Kranken falsch behandelt haben und in Verruf geraten sein. Oder etwas Ähnliches.«
    »Reue? Dieser Kerl? Das glaubst du doch nicht im Ernst, Mädchen?« Baldo lachte rau auf. »Ein Mensch, der seinen jungen, ängstlichen Hund erschlagen lassen will, soll ein Gewissen haben?«
    Innerlich musste sie ihm zustimmen. Das ergab keinen Sinn. »Vielleicht war er selbst krank.«zu
    »Würde er sich dann nicht auf eine andere Weise umbringen? Ertrinken ist grausam.« Baldo sah ihr in die Augen. »Hätte er sich nicht ein Schlafmittel gebraut oder ein starkes Gift eingenommen? Küppers kannte sich doch bestens aus.«
    »Ach, woher soll ich das wissen?«, erwiderte Cristin ungeduldig und stand ruckartig auf. »Ich werde sicher nicht um ihn trauern.« Sie spürte Hitze in sich aufsteigen. »Im Gegenteil! Ich bin froh, dass er tot ist. Möge er auf ewig in der Hölle schmoren.« Sie wandte sich ab.
    Bis zu dem Tag der Verurteilung hatte sie derart heftige Gefühle nicht gekannt. Für diesen sündigen Gedanken würde sie viele Male den Rosenkranz beten müssen, hätte sie einen besessen. Es war ihr gleich. Büttenwart, Mangel und Küppers – diese Männer trugen die Schuld an ihrem zerstörten Leben. Ihretwegen musste sie sich verbergen und verkleiden. Ihretwegen war sie von ihrem Kind getrennt worden und auf der Flucht. Seither begleitete sie die Furcht wie ein Schatten und ließ sie auch in ihren Träumen nicht zur Ruhe kommen.
    »Komm«, hörte sie Baldos Stimme hinter sich. »Die anderen werden sich sorgen.«
    Cristin fühlte den warmen Druck seiner Hände auf ihren Schultern, und als er sie wortlos in die Arme zog, ließ sie es geschehen. Den Kopf an seine Brust gebettet, verharrte sie und unterdrückte einen wohligen Seufzer.
    »Besser?« Baldos Stimme klang heiser. Dann gab er sie frei.
    Sie wich seinem Blick aus und nickte.
     
    »Gehabt Euch wohl. Möge das Schicksal Euch gnädig sein«, sagte Cristin zu den beiden Frauen, die soeben ihr Zelt verließen, nachdem sie ihnen aus den Händen gelesen hatte. Nach den anfänglichen Bedenken war sie mit ihrer Aufgabe als Zigeunerin ausgesöhnt. Was war schon dabei, den Leuten Ratschläge zu geben, die ihre Gesundheit betrafen? Sie tat niemandem weh, wenn sie einem Mütterchen, das zu lange auf dem Feld gearbeitet hatte, riet, die Beine vor dem Schlafengehen mit kühlender Salbe einzureiben. Oder wenn sie einer jungen Frau erklärte, wie diese ihre lästigen Läuse loswurde. Nein, sie wollte sich nicht beklagen, schließlich war sie am Leben und hatte in Baldo einen echten Freund gefunden. Dennoch schlief sie unruhig, das würde sich vermutlich erst ändern, wenn sie die Mauern Lübecks hinter sich gelassen hatte. Auch Küppers’ Selbstmord beschäftigte sie, je länger sie darüber nachdachte, umso mehr kam sie zu der Überzeugung, dass etwas an der Sache nicht stimmte.
    Das Herz wurde ihr schwer, wenn sie an den folgenden Tag dachte. Mit jedem Klafter, den die Gaukler in Richtung Sleswig zurücklegen würden, vergrößerte sich auch die Entfernung zu Elisabeth. Ohne zu wissen, warum, war sie sich sicher, ihre kleine Tochter lebte noch hier in dieser Stadt. Ganz nahe bei ihr und dennoch so weit entfernt.
    Eine Vielzahl von Lauten drang an ihr Ohr, daher trat Cristin aus dem Zelt, blinzelte. Der Marktplatz

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