Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
Hundeschnauze ihre Hand berührte. Jemand zog sie auf die Füße: Baldo. Dankbar ergriff sie seine Hand.
»Kommt heute Abend zum Hafen«, flüsterte ihr Bruder. »Ich warte zwischen Stadtmauer und Holstenbrücke auf euch.«
Cristin wollte fragen, warum er sie nicht begleitete, doch schon schob Baldo sie weiter.
»Verflucht sei dieses Pack«, stieß er kaum hörbar hervor und legte den Arm um sie. »Bleib ganz ruhig. Wir tun, als wären wir ein verliebtes Paar, das sich miteinander vergnügen will.«
Sie keuchte. Baldo hielt sie eisern fest und drängte sie weiter. Ihre Beine fühlten sich wie schmelzendes Wachs an, die Umgebung verschwamm vor ihren Augen, bestand nur noch aus Farben und Lauten.
»Sieh nicht zurück«, raunte Baldo, während er den Druck um ihre Taille verstärkte. Fell kitzelte an ihren Waden, Stimmen drangen an ihr Ohr, wurden lauter und verebbten wieder. Er wird uns finden. Dann ist es aus, schoss es ihr durch den Kopf. Cristin schloss die Lider und richtete ihr Augenmerk nur auf Baldos Hände, die sie scheinbar ungerührt lenkten. Hatte er denn gar keine Angst um sein Leben?
Ein dunkles Lachen erklang und traf sie bis ins Mark.
Cristin sah auf. Vor ihnen stand Mathes.
»Die hübsche Zigeunerin und der Trommler, sieh an. Wohin des Weges, liebe Leut?«
»Lass uns vorbei, Mathes.«
»Nicht, bevor ihr mir verratet, wo ihr hinwollt.«
Sie schaute zu Boden, denn wenn sie ihm in das grinsende Antlitz geblickt hätte, wäre sie versucht gewesen, ihn anzuspucken.
Baldos Stimme wurde gefährlich ruhig. »Was willst du von uns? Mach den Weg frei!«
»Du hast mir gar nichts zu sagen, Krüppel!« Mathes trat näher, so nah, dass Cristin seinen nach Würzbier stinkenden Atem riechen konnte. »Die Büttel, die dich suchen, werden sicher hocherfreut sein, euch hier zu treffen, nicht wahr, Agnes?«
Das Einzige, was sie wahrnahm, war das kalte Glitzern seiner Augen, das ihr den Mund trocken werden ließ. Mathes packte sie am Handgelenk. »Oder ist dein Name in Wirklichkeit gar ein anderer?«
Cristin hörte, wie jemand scharf die Luft einzog, und spürte eine Bewegung neben sich. Im nächsten Moment landete Baldos Faust in Mathes’ Gesicht. Deutlich vernahm sie das Knacken seines Kiefers, Blut schoss aus seinem Mund. Der Schwertschlucker stöhnte auf, da traf auch schon ein weiterer Fausthieb den Brustkorb des Verräters.
»Baldo, hör auf! Du schlägst ihn ja tot!« Cristin presste die Hände vor den Mund.
Sein Gesicht war zu einer furchterregenden Fratze verzerrt, und in diesem Moment wurde ihr klar, dass jeder Versuch, Baldo aufhalten zu wollen, zwecklos war. Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle hoch, sie krallte die Finger in seinen Ärmel. Vergeblich.
»Hört auf, alle beide!«, stieß sie hervor.
Doch die Männer nahmen keinerlei Notiz von ihr. Der stämmige Schwertschlucker schüttelte sich kurz und ging zum Gegenangriff über. Mit einem Satz war er bei Baldo, hob die Faust und stieß ein wütendes Knurren aus. Cristin sah aus dem Augenwinkel, wie er die Faust durch die Luft fliegen ließ und auf Baldos Bauch zielte. Dieser griff plötzlich nach dem Dolch in seinem Gürtel.
»Nein!«, hörte sie sich selbst schreien. »Das darfst du nicht!« Mit einem Satz war sie bei Mathes und trat ihm mit aller Kraft in die Kniekehlen. Er knickte ein, fiel vornüber und landete auf dem Boden. Sofort war Baldo über ihm, sprang ihm auf den Rücken und hob das Messer, bereit, es seinem Gegner in den Nacken zu rammen.
»Ich mach dich fertig, verdammter Hurensohn!«
»Baldo, nein!«
Er hob den Kopf, seine Augen funkelten. Unwillkürlich wich Cristin ein paar Schritte zurück.
»Lass ihn laufen!«, bat sie. »Der Kerl ist es nicht wert, dass du zum Mörder wirst!«
Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis er sich erhob und zur Seite trat. Mathes drehte sich ächzend herum. In seiner Miene war immer noch Todesangst zu lesen.
»Lass uns in Ruhe!«, zischte sie.
Der Gaukler wischte sich mit dem Ärmel über das blutverschmierte Gesicht und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Mühsam stand er auf. »Der Teufel soll dich holen, verdammte Hexe!«, presste er hervor.
Cristin wandte sich angewidert ab. Plötzlich hörte sie Lump knurren, schon im nächsten Moment setzte der Hund zum Sprung an. Der Schwertschlucker fluchte und stöhnte auf, als das Tier die Zähne in seine Waden grub. Blutstropfen benetzten den sandigen Boden. Mathes ging in die Knie und versuchte, den Hund abzuschütteln, doch
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