Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
gefaltet in den Schoß. Lynhard atmete hörbar ein. »Ich werde persönlich zum Medicus gehen. Ich habe geschäftlich noch in der Nähe zu tun und werde Herrn Küppers aufsuchen.«
»Er wird sagen, das ist Weibersache, Lynhard. Kein Medicus traut sich zu einer Gebärenden.«
»Das mag sein, Minna. Aber Cristin hat ihr Kind bereits. Außerdem ist es mir einerlei. Er wird erscheinen, verlass dich auf mich«, erwiderte er und wandte sich wieder Mirke zu. »Du läufst zu der Wehfrau. Ich zahle ihr den doppelten Preis.« Er hob die Stimme. »Hast du verstanden? Nun lauf schon.«
Mirke fuhr von ihrem Schemel hoch, schnappte sich den Umhang, der an einem Haken hing, und eilte hinaus.
In diesem Moment betrat Johannes die Werkstatt. »Alles erledigt, Minna. Die Garne werden morgen …« Die Augen des Jungen wurden groß wie Teller. »Was ist denn in Mirke gefahren?« Als er Lynhard bemerkte, der mit gekreuzten Armen vor ihm stand, fuhr er sich verlegen durchs Haar. »Entschuldigt, Herr Bremer. Gott zum Gruße, kann ich etwas für Euch tun?«
Lynhard klopfte ihm auf die Schulter. »Ja, mein Junge, das kannst du. Wirst du bitte auf die Spinnerei achten, solange Minna und ich nicht da sind?«
Johannes sah verwirrt zwischen den beiden hin und her.
»Deine Herrin ist krank, Johannes. Ich werde den Medicus holen, und Minna bleibt bei ihr und dem Kind. Kann ich auf dich zählen?«
Die Wangen des Jungen röteten sich. »Ja, natürlich.«
»Gut. Ich bin so schnell es geht zurück.«
9
B eschwingten Schrittes überquerte Lukas den zur Nachmittagszeit wie leer gefegten Marktplatz. Hoch über den Zwillingstürmen von St. Marien flog eine Schar Möwen. Die weißen Vögel näherten sich mit Geschrei, um Reste von Brot oder Fisch zu ergattern, die von den Ständen der Händler heruntergefallen waren. Bremer zog den Kopf zwischen die Schultern. Von einem Möwenschiss getroffen zu werden, darauf konnte er verzichten. Sein Herz machte einen Satz, er konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Er lächelte, spürte weder die Kälte noch den eisigen Wind. Lukas musste sich zwingen, auf das mit einer feinen Eisschicht überzogene Pflaster zu achten, um nicht auszurutschen. Er bog in die Hunnestrate ein, lief ein paar Schritte. Da war die Werkstatt. Seltsam, sie wirkte verlassen und leer. Mit den Händen formte er einen Trichter und spähte durch das große Fenster hinein. Der junge Geselle, der am Werktisch saß und etwas sortierte, schien ihn nicht bemerkt zu haben. Johannes war allein in der Spinnerei? Wo steckten denn die Arbeiterinnen?
»Johannes, wo sind Minna und Mirke?«, sagte er und trat ein.
»Herr Bremer. Gut, dass Ihr da seid«, begann der Geselle und rutschte unruhig auf seinem Hocker herum. »Ich … ich denke, Ihr geht besser nach oben.«
»Was …« Lukas brach ab, machte eine wegwerfende Handbewegung und steuerte mit großen Schritten auf die Privaträume zu. Das Herz schlug ihm hart in der Brust, als er jeweils zwei Stufen auf einmal nahm und die Treppe erklomm. Vor der Tür zur Schlafkammer erwartete ihn bereits sein Bruder, der mit ausgestreckten Armen auf ihn zukam.
»Lukas, wir haben schon auf dich gewartet.« Während dieser die Tür öffnete, legte Lynhard ihm die Hand auf die Schulter. »Der Medicus ist bei ihr. Ich gehe jetzt. Lass nach mir rufen, wenn du mich brauchst.«
Lukas schloss die Tür hinter sich. Ihm stockte der Atem bei dem Bild, das sich ihm bot. Er wusste, gleichgültig was das Leben noch für ihn bereithalten sollte, diesen Anblick würde er nie wieder vergessen. Cristin lag wächsern bleich und still in ihrem Bett, kaum hob sich ihr Gesicht von dem weißen Leinentuch ab. Ihre hellen Locken waren strähnig, und auf ihrer Stirn glänzte Schweiß.
Er eilte an ihr Bett. »Was ist passiert?« »Es tut mir leid, Euch sagen zu müssen, dass Eure Gemahlin am Kindbettfieber erkrankt ist, Herr Bremer«, vernahm er eine Stimme neben sich. Fieber! Allmächtiger! Er sah in das besorgte Gesicht des Medicus. »Ich habe sie in der Hoffnung geschröpft, die in Unordnung geratenen Säfte wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Auch einen Aderlass habe ich bereits durchgeführt. Das Fieber steigt allerdings noch immer.«
Schüttelfrost würde folgen, sehr wahrscheinlich ein erhöhter Herzschlag. Niemand könnte sagen, wie es weitergehen würde.
»Besonders Erstgebärende trifft es oft. Ich weiß Euch nichts zu raten, außer ihre Stirn zu kühlen und sie viel trinken zu lassen. Eure Gemahlin leidet
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