Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
große Schmerzen, wenn sie erwacht. Ich lasse Euch Medizin zur Linderung hier. Mehr kann ich nicht tun.«
»Wird … wird meine Frau überleben?«
Küppers hob ratlos die Schultern.
Lukas schaute zu dem Kinderbett hinüber. Minna hatte sich einen Hocker herangezogen und wiegte das leise greinende Kind in ihren Armen. Ihre Blicke begegneten sich. Die Lohnarbeiterin, die dem Kind einen Finger in den Mund steckte, damit es daran saugen konnte, sprach aus, was er in diesem Moment dachte.
»Was wird aus dem Kinde, werter Medicus? Es ist hungrig, und die Herrin wird es nicht versorgen können.«
Küppers wiegte den Kopf hin und her. »Versucht es mit Ziegenmilch. Vielleicht haben wir Glück, und das Kind trinkt sie.« Dann nickte er Lukas zu. »Ich werde später noch einmal nach Eurer Gemahlin sehen. Wir sind alle in den Händen Gottes. Betet, Bremer. Betet zum Allmächtigen.«
Minna legte ihm das schreiende Kind in den Arm. »So, Herr Lukas. Ihr kümmert Euch jetzt um das Kleine. Ich gehe Milch besorgen.« Als dieser nicht reagierte, stieß sie ihn unsanft an. »Wacht auf, in Herrgotts Namen! Ich brauche Eure Hilfe.«
Lukas schüttelte sich, um die innere Lähmung zu lösen, die ihn gefangen hielt. Dies musste ein Albtraum sein. »Was … was hast du gesagt, Minna?«
»Ich sagte, Ihr werdet jetzt gebraucht, Herr Lukas! Eure Frau und das Kind bedürfen Eurer Zuwendung.« Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und zog die Tür hinter sich zu.
Mit brennenden Augen starrte er zu der stillen Gestalt im Bett hinüber. Wie war es möglich, dass Cristin, noch einen Tag zuvor rosig und voller Vorfreude auf das Kind, nun bleich, ja beinahe leblos in den Kissen lag? Elisabeth schrie mit weit aufgerissenem Mund und geballten Fäusten ihren Hunger hinaus. Lukas strich ihr wieder und wieder über das rot angelaufene Gesicht. Die Zeit schien stillzustehen. Wo blieb Minna nur mit der Milch? Er biss sich auf die Unterlippe. »Alles wird gut«, flüsterte er heiser. »Es muss alles wieder gut werden.« Wobei Lukas sich insgeheim fragte, wen er da gerade zu überzeugen versuchte – sich selbst oder seine Tochter.
Cristin keuchte. Die Kälte, die von ihrem Unterleib aus langsam ihren ganzen Körper erfasste, betäubte sie. Sämtliche Haare auf ihrem Körper stellten sich auf. Als sie unter Aufbietung all ihrer Kraft die Augen öffnete, erkannte sie Lukas, der sich über sie beugte.
»Cristin«, sagte er nur.
Sie wollte sprechen, doch die Stimme versagte ihr den Dienst. Ein erneutes Frösteln überlief sie.
»Dir ist kalt, mein Lieb?«
Sie nickte benommen, schloss die Augen. Eine eisige Hand schien nach ihr greifen zu wollen, um auch noch das letzte Quentlein Wärme aus ihrem Leib herauszuziehen. Cristin hörte Lukas’ Mantel rascheln, als er sich ruckartig erhob und herumdrehte.
»Schüre das Feuer, Minna, und sorge dafür, dass die Fenster und Türen mit Decken verhüllt werden«, hörte sie ihn sagen. »Meiner Frau ist kalt, sie soll nicht frieren.«
Aus der anderen Ecke der Schlafkammer drangen glucksende Geräusche zu ihr herüber. Verzweifelt versuchte sie, ein letztes Mal gegen den eisigen Dämon anzukämpfen. Vergeblich. Schon wurden ihre Hände und Füße gefühllos, und die Zähne schlugen wild aufeinander.
Verloren, dachte sie flüchtig, ich bin verloren. Dann hastige Schritte, das Pfeifen des Windes am Fenster.
»Lass mich allein.« Das war Lukas’ Stimme. »Hörst du! Ich will allein mit ihnen sein, verschwinde!«
»Aber … aber, Herr Lukas. Ihr könnt doch nicht …«, wurde beinahe ebenso laut erwidert.
»Und ob ich kann. Geh!«
Das Geräusch ihrer klappernden Zähne verhinderte, dass Cristin mehr von dem Wortwechsel hören konnte. Die Tür klappte geräuschvoll zu, und das Prasseln des Feuers schien auf einmal das einzige Geräusch in der Kammer zu sein. Ein kühler Luftzug, und die Bettdecke wurde angehoben. Cristin erschauerte. Sie meinte, Lukas’ herben Geruch wahrnehmen zu können. Er legte sich zu ihr – und zwischen ihnen spürte sie eine Bewegung. Zappelnde Beine, warme Haut an ihrer. Der süße Duft nach Milch drang in ihr Bewusstsein.
»Elisabeth«, flüsterte sie.
»Unser Kind ist hungrig«, hörte sie Lukas neben sich sagen. »Und du brauchst Wärme. Ich bleibe neben dir liegen, bis es dir besser geht. Beim Allmächtigen, du bist ja eiskalt!« Er rückte noch dichter an sie heran, presste seinen Körper gegen ihren. Sein Atem streifte ihren Nacken.
Ihr Körper schien nicht mehr
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