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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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befördern. Als Bardulf und Anna Schimpf, seine Eltern, an der Pest gestorben waren, hatte Emmerik mit gerade achtzehn Lenzen das Amt des Henkers übernommen. Auch sein Sohn Baldo würde einmal dieses Amt ausüben. Schon jetzt ging ihm der Junge bei den Hinrichtungen zur Hand, auch wenn er sich am Anfang heftig dagegen gesträubt hatte. Baldo kam eher nach seiner Mutter, die nach der Geburt seiner Schwester Sanne im Kindbett gestorben war.
    Vor einem Jahr war die Siebzehnjährige aus dem Haus an der Stadtmauer ausgezogen und teilte sich nun mit einer anderen jungen Frau eine Holzbude in einem verwinkelten Hof hinter den Kaufmannshäusern, in der die beiden Hübschlerinnen ihre Freier empfingen.
    Seitdem lebten Vater und Sohn allein in dem kleinen Haus. Inzwischen konnte Emmerik die Menschen nicht mehr zählen, die er im Auftrag der Lübecker Richteherren getötet hatte. Seit seine Frau verstorben war, bedeutete ihm das Leben nichts mehr, ebenso wenig wie der Tod. Nicht selten genoss er seine Macht über die Verurteilten und dehnte ihre Qual ein wenig aus. Emmerik musste an den Schankwirt vom letzten Jahr zurückdenken, der viele Jahre zuvor seiner Mutter die Tür gewiesen hatte, als sie um einen Krug Bier bat. Ihr war klar gewesen, dass sie nur am Rande der Schänke, in einer düsteren Ecke, bedient werden würde. Doch der Wirt hatte ihr das Getränk verweigert. Als der Mann dann einige Jahre später wegen Blutschande an dem eigenen Kinde zum Tode durch das Beil verurteilt worden war, hatte Emmerik absichtlich den korrekten Punkt am Nacken verfehlt. Er verengte seine Augen zu Schlitzen. Oh ja, dieser Kerl hatte den Tod verdient und sein Bruder Jakob die gut gehende Schänke zu Recht geerbt. Der Gedanke an einen Krug kühles, gewürztes Weizenbier gefiel ihm. Er änderte die Richtung und steuerte auf den Hafenkrug zu.
    Als der Henker die Tür des Wirtshauses aufzog, schlugen ihm Lärm und Biergeruch entgegen. An mehreren Tischen wurde Tres Canes gespielt und das Fallen der knöchernen Würfel lautstark kommentiert, andere Männer führten bei Bier und Wein wortreiche Unterhaltungen. Der Wirt nickte ihm freundlich zu. Emmerik erwiderte die Begrüßung und schob sich zwischen den besetzten Tischen hindurch in eine düstere, nur von einem Talglicht erhellte Ecke, in der sich ein kleiner Tisch und eine leere Bank befanden. Der dem Henker vorbehaltene Platz. Er setzte sich nieder und sah durch die kleinen Fenster aus poliertem Horn hinaus auf die Straße.
    »Hier, dein Bier, Emmerik! Wie immer mit Wacholder gewürzt.«
    »Danke.«
    Während der Wirt, einer der wenigen Menschen, die überhaupt das Wort an den Henker richteten, sich entfernte, starrte dieser einen Moment lang in den bernsteinfarbenen Inhalt des Steingutkruges, den Jakob Spieß vor ihm abgestellt hatte. Plötzlich musste er an eine der letzten Hinrichtungen denken, die er und Baldo vollstreckt hatten. Hatte der junge Kirchendieb nicht auch Jakob geheißen? Jedenfalls war er einer der wenigen Verurteilten gewesen, die ihm ein wenig leidgetan hatten. Tod durch das Rad, weil er irgendeinen kostbaren Gegenstand aus der Kirche gestohlen hatte. Aber so waren sie, die hohen Herren. Verächtlich verzog er die Lippen. Wenn es an ihre Kirchenschätze ging, verstanden sie keinen Spaß. Da hörte die allseits gepriesene Nächstenliebe auf.
    Emmerik nahm einen Schluck und wischte sich den Schaum vom Mund. Das Würzbier, das Jakob Spieß bei einem der Klöster in der Nähe Lübecks kaufte, war gut, wenn man auch nicht mehr als einen oder zwei Krüge davon trinken durfte. Wieder musste er an diese verdammte Hinrichtung denken. Eine der vielen Zuschauerinnen, eine junge Frau, war ihm aufgefallen und in Erinnerung geblieben. Ein hübsches Frauenzimmer, deren rotblonde Locken im Sonnenschein wie Kupfer geglänzt hatten, mit einer Figur, die sicher das Herz manches Mannes höher schlagen und seine Bruche eng werden ließ. Diese Frau war nicht wie die meisten anderen Gaffer gewesen, die sich daran aufgegeilt hatten, einen Menschen leiden und sterben zu sehen. Deutlich hatte er wieder ihren Gesichtsausdruck vor Augen, bis sie den Hügel hinabgelaufen war. Ihre Miene hatte die Abscheu und die Fassungslosigkeit widergespiegelt, die sie bei dem grausamen Spektakel empfunden haben musste.
     
    Als der Henker eine halbe Stunde später den Hafenkrug verlassen hatte und die Holztür seiner kleinen Wohnung an der Stadtmauer aufschließen wollte, hörte er Schritte hinter sich. Er fuhr

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