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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Wanderung durch den Raum, den er zusammen mit Cristins Bruder bewohnte, seit sie auf dem Wawel zu Gast waren.
    »Mir fällt hier langsam die Decke auf den Kopf. Das ist los«, erwiderte er. »Das Leben am Hof ist ja alles in allem sehr angenehm, aber manchmal auch verdammt langweilig. Ich brauche einfach ein bisschen Abwechslung.«
    »Ist dir Cristin nicht Abwechslung genug?«, fragte Piet mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Seit einigen Tagen wusste er, dass seine Schwester und sein bester Freund ein Paar waren.
    Baldo zuckte die Achseln. »Cristin ist mal wieder bei der Königin«, erklärte er.
    Piet stellte die Laute, auf der er eine Melodie gespielt hatte, neben dem gepolsterten Stuhl ab und reckte sich. »Wie wär’s mit einem kleinen Streifzug durch Krakows Wirtshäuser?«, schlug er vor. »Wir satteln die Pferde, reiten in die Stadt hinunter und genehmigen uns in einer der Schänken ein paar Becher heißen Würzwein.«
    Baldos Miene hellte sich auf. »Was hindert uns noch?«
    Wenig später ritten die beiden Männer – mit dicken, warmen Mänteln und Mützen aus Bärenfell gegen die beißende Kälte geschützt – durchs Schlosstor. Die gepflasterte Straße, die sich vom Wawelhügel zur Stadt hinabwand, war stellenweise vereist, sodass Baldo und Piet die Pferde nur langsam hinunterlenken konnten, damit die Tiere nicht ausglitten. Die Dämmerung setzte bereits ein, als sie durch die sich leerenden Straßen und Gassen der polnischen Hauptstadt ritten. Vor einem Wirtshaus brachten sie ihre Pferde zum Stehen und banden sie an zwei in die Wand eingelassenen Eisenringen fest. Dann öffneten sie die Tür der Schänke, aus der ihnen Bierdunst und fröhlicher Lärm entgegenschlugen.
    Baldo ließ den Blick durch die Schankstube schweifen. In einer Ecke, unter einem Fenster aus Ochsenhaut, war noch ein schmaler Tisch frei. Schnell steuerten Piet und er durch die bei Wein, Bier und Würfelspiel sitzenden Männer auf die freie Bank zu und ließen sich nieder. Sie nahmen die Pelzmützen vom Kopf und legten sie neben sich, ihre Mäntel hängten sie über die Lehne eines freien Stuhls. Ein eiserner Bollerofen sorgte für wohlige Wärme. Der Wirt, ein rothaariger Mann, über dessen dickem Bauch sich eine lederne Schürze spannte, hatte sie erspäht, trat an ihren Tisch und fragte auf Polnisch, was sie trinken wollten. Piet antwortete ihm in seiner Sprache. Bald darauf kam der Mann zurück, in der einen Hand zwei leere Becher, in der anderen einen Halbliterkrug mit warmem Würzwein. Er stellte alles auf den blank gescheuerten Tisch und entfernte sich. Baldo griff nach dem Krug und goss ihnen ein.
    » Na zdrowie !« Piet hob seinen Becher.
    »Zum Wohl!«
    Eine Stunde später waren sie beim dritten Krug angelangt. Langsam leerte sich die Schänke, und Baldo mahnte, sie müssten allmählich zum Schloss zurückkehren, bevor es zu finster war, um noch etwas erkennen zu können.
    Piet winkte ab und hätte dabei beinahe seinen leeren Becher umgestoßen.
    »Ach was, die’Ferde fin’n den Weg sum Schloss auch allein.«
    Hoffentlich kann er sich noch im Sattel halten, dachte Baldo besorgt, als er den Wirt heranwinkte, um die Rechnung zu bezahlen. Dann griff er nach seiner Mütze und stand auf. Piet erhob sich ebenfalls leicht schwankend. Baldo half ihm in den Mantel und drückte ihm die Fellmütze aufs schlohweiße Haar.
    »Auf geht’s.« Er fasste den Freund am Arm und zog ihn mit sich durch die Schankstube hinaus ins Freie. Der eisige Wind, der ihm ins Gesicht wehte, ernüchterte ihn, doch nicht die Kälte ließ ihn frösteln und einen lauten Fluch ausstoßen, sondern der Anblick der nackten Hausmauer.
    »Was’n los?«, murmelte Piet hinter ihm.
    Baldo zeigte auf die leeren Eisenringe in der Wand. Im spärlichen Licht der Talglampe über der Wirtshaustür sah Baldo, wie Piet die Augen aufriss.
    »Oh, nein! Jemand hat …«
    »… unsere Pferde gestohlen, allerdings!«
    Piet schnitt eine Grimasse. »Wie sollen wir nun zum Schloss zurückkommen?«
    Baldo zuckte die Achseln und nagte an seinem Daumennagel.
    »Lass uns zum Haus von Mariankas Eltern gehen«, schlug er vor. »Konstanty ist ein gastfreundlicher Mann und hat bestimmt ein Nachtlager für uns. Dann können wir morgen zum Wawel zurückkehren. Dort wird man sicher nicht begeistert sein, wenn wir von den gestohlenen Pferden berichten.«
    Piet nickte. Auch er schien nun stocknüchtern zu sein.
    »Gehen wir zum Hauptmarkt. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zu Konstantys

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