Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
Scheibe, hinter der sich eine kräftige Gestalt bewegte: Mariankas Vater Konstanty. Dieser drehte sich um, spähte hinaus, und als er die beiden erkannte, öffnete er ihnen die Haustür. Piet erklärte dem Kupferschmied, warum sie um diese späte Stunde noch in Krakow unterwegs waren, und bat Konstanty, ihnen ein Nachtlager zur Verfügung zu stellen. Morgen früh würden sie dann zum Wawel zurückkehren.
Würzige Dämpfe stiegen auf, als Cristin eine Handvoll Kräuter in das siedende Wasser im Kessel warf. Die Königin litt seit geraumer Zeit an Schlaflosigkeit, und um den Grund dafür zu erkennen, bedurfte es keinerlei Zauberkräfte. Cristin wusste um den wachsenden Druck, endlich einen Thronerben zu gebären. Jadwiga hatte sich ihr anvertraut und von Jagiellos kurzen, lieblosen Besuchen in ihrem Schlafgemach erzählt. Ansonsten begegneten sie sich wenig, denn die Zeiten, in denen sie am Ende eines Tages noch geplaudert hatten, wenn der König sich auf dem Wawel aufhielt, waren längst vergangen. Um wirksame Mittel gegen ihre Kinderlosigkeit hatte sie gebeten, doch wie sollte eine Frucht in ihrem Leibe wachsen, wenn das Paar einander keine Freuden zu schenken vermochte? Cristin fürchtete gar eine mögliche Schwangerschaft. Würde Jadwiga die Strapazen einer Geburt überstehen?
Ein leises Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Wie glücklich konnte sie sich schätzen, einen Mann wie Baldo an ihrer Seite zu haben, der sie um ihrer selbst willen liebte. Es erschien Cristin noch immer wie ein Wunder, dass sie zueinandergefunden hatten. Von seiner Scheu, ihr gegenüberzutreten, hatte er ihr erzählt und wie schwierig es für ihn gewesen war, seine Gefühle zu verbergen. »Ich liebe dich seit dem Tag, an dem ich dich aus dem Grab befreit habe.« Diese schlichten Worte aus seinem Munde berührten sie tief. Sie hatten noch lange geredet, aber dann … Ihr Gesicht begann zu glühen, während sie sich an seine Berührungen und Küsse vom Vorabend erinnerte. Sie hatten die Hände kaum voneinander lassen können, doch der Anstand hatte es geboten, Baldo irgendwann aus der Kammer zu schicken.
Cristin goss die heiße Flüssigkeit in einen Becher und hob die Mundwinkel. An diesem Abend allerdings war nicht mit seinem Besuch zu rechnen, vermutlich würde sie ihm helfen müssen, seine Schlafstatt sicher zu erreichen, denn wie sie Piet und Baldo kannte, sprachen sie in diesem Moment dem Würzbier oder dem Wein kräftig zu.
Ein Geräusch ließ sie aufblicken.
»Agnes?« Janek stand in der offenen Tür und brachte einen Schwall kalter Luft sowie den Geruch von Pferden und Schweiß mit hinein. Seine Stiefel starrten vor Schmutz. »Darf ich dich besuchen?« Der Junge nahm die Wollmütze ab und grinste.
»Natürlich, Janek. Aber die Stiefel ziehst du bitte vor der Tür aus, ja?«
Als der Junge wieder hereinkam, nahm er auf ihrem Hocker Platz und sah zu, wie sie mit geübten Griffen eine Salbe zubereitete.
Cristin spürte, wie er nach Worten suchte, und wischte sich die Hände an einem Tuch ab. »Hast du etwas auf dem Herzen, mein Schatz? Du wirkst bedrückt.«
»Agnes, ihr …«, er sah zu Boden, »ihr bald fahrt fort, oder? Adam sagte … er sagte, du musst zu Tochter.«
»Ja, Janek. Bald.« Sie strich ihm über das strubbelige Haar, und ihre Blicke begegneten sich. Worte waren nicht nötig, sie wussten auch so, was sie empfanden. Cristins Stimme wurde brüchig. »Du wirst es hier gut haben. Jaromir und seine Frau haben dich von Herzen gern.«
Janek lächelte dünn. »Gute Leute. Ich habe sie auch gern. Aber du … du warst wie Mutter zu mir.« Sie zog ihn auf die Füße und legte den Arm um seine Schultern. »Wir werden uns besuchen, mein Schatz. So oft es geht. Einverstanden?«
Der Junge antwortete nicht, ließ jedoch den Kopf an ihre Brust sinken.
Cristin rang um Fassung. »Sobald das Wetter es zulässt, brechen wir auf. Bis dahin werden wir noch viel Zeit miteinander verbringen, ja?«
Stumm hielten sie einander umfangen.
17
P iet trank einen Schluck Bier und setzte den Becher ab. »Du musst es Jadwiga sagen! Nur die Königin kann diesem unseligen Geschäft ein Ende setzen.« Gerade hatten Baldo und er seiner Schwester nach dem Mittagsmahl von ihrem gestrigen Erlebnis berichtet.
»Du bist dir wirklich ganz sicher, dass es mein Schwager war, den du in der Kirche zusammen mit Lüttke und dem Priester gesehen hast?«, fragte Cristin mit roten Wangen. Mit wachsender Erregung hatte sie den Bericht der beiden
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