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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Kupferschmiede.«
    Nach einiger Zeit hatten sie den Rynek erreicht, Krakows größten Marktplatz, von wo aus sich zwei hohe Kirchtürme in den nächtlichen Himmel erhoben. Unterhalb des Gotteshauses verkauften die Tuchhändler in der langen Halle, vor der die beiden nun standen und die den Platz in zwei Hälften teilte, am Markttag ihre Waren. Um diese späte Stunde war allerdings kaum noch jemand unterwegs. Vor ihnen gingen zwei Gestalten, die sich leise unterhielten. Die Männer sprachen Deutsch miteinander, und es tat gut, die Heimatsprache wieder zu hören. Piet lächelte. Sein Freund schien dasselbe zu empfinden, denn wie auf ein unausgesprochenes Kommando hin beschleunigten sie ihre Schritte. Während sich der Abstand zu den Männern weiter verringerte, schnappte Baldo weitere Worte auf.
    »Jüdische Mädchen, sagst du?«
    »Ja, schon nächste Woche.«
    Baldo horchte auf. Jüdische Mädchen? Er drehte den Kopf und sah Piet an. Der schien ihn auch ohne Worte verstanden zu haben, denn er nickte nur. Unauffällig folgten sie den Deutschen, die nun eine Straße überquerten und am Eingang einer kleinen Kirche stehen blieben.
    »Hier?«, hörte Baldo einen von ihnen fragen.
    »Ja, er sagte, die Tür sei offen.« Die Männer blickten sich um.
    Baldo und Piet drückten sich gegen die Wand eines zweistöckigen Bürgerhauses und suchten Schutz im Schatten des Mondlichts. Die beiden Fremden verschwanden in der Kirche.
    Piet wiegte nachdenklich den Kopf. »An irgendjemanden erinnert mich einer der beiden Kerle. Ich überlege schon die ganze Zeit, wo ich den schon einmal gesehen habe. Jedenfalls stimmt etwas nicht mit ihnen. Ich hab’s im Gefühl. Warum sonst müssen sie sich in einem Gotteshaus verstecken?« Er löste sich aus dem Schatten der Mauer und trat ins Mondlicht. »Komm!«
    »Vielleicht wollen sie auch nur die Beichte ablegen, und wir werden langsam irre.« Baldo folgte seinem Freund über die Straße, und auf Zehenspitzen traten sie an die Holztür.
    »Du bleibst hier und passt auf, Baldo.«
     
    Piet fasste nach dem Griff, drückte ihn vorsichtig hinunter und öffnete die Tür einen Spalt breit. Er streckte den Kopf hindurch und kniff die Augen zusammen. Aus dem von ein paar Talglichtern nur spärlich erhellten Altarraum drangen leise Stimmen nach hinten. Nun schob er sich ein Stück weiter durch die Tür, legte den Kopf schief und lauschte. Offenbar waren die beiden Deutschen nicht allein, sondern sprachen mit einem dritten Mann, der im Inneren der Kirche auf sie gewartet hatte. Piet biss sich auf die Unterlippe, stieß die Eichentür ein Stück weiter auf und trat ins Innere. Der Eingangsbereich lag im Dunkeln. Er ließ sich auf Knie und Hände hinunter und kroch zwischen den Bänken den Mittelgang entlang nach vorn.
    Einer von ihnen, hochgewachsen und mit geradem Rücken, trug das Gewand eines Klerikers. Piet konnte nur sein Profil erkennen, doch es schien sich um einen Mann in den besten Jahren zu handeln. Mit schräg gelegtem Kopf hörte er einem der Gesprächspartner aufmerksam zu und nickte bedächtig. Sie sprachen zu leise, als dass die beiden etwas hätten verstehen können.
    So lautlos wie möglich kroch Piet auf allen vieren voran, bis er in der Mitte des Kirchenraumes angekommen war, und spähte vorsichtig hoch. Für einen kurzen Moment ärgerte er sich, nicht den Umhang mit der Kapuze übergeworfen zu haben, denn sein Haar musste in der Kirche leuchten wie eine weiße Fahne. Der Saum seiner Hose blieb an einer der Bänke hängen, und einen Fluch unterdrückend, löste er sie. Das Geräusch des schweren Mantels auf dem Steinboden klang viel zu laut in seinen Ohren. Wenn die Kerle ihn bemerkten …
    »Es ist alles vorbereitet, Hochwürden. In der nächsten Woche, spätestens bis zum Sonntag sollte die Ware ausgeliefert sein«, sprach einer der Deutschen. »Alles wird zu Eurer vollen Zufriedenheit laufen, das kann ich Euch versichern.«
    Piet reckte sich ein wenig. Baldo und er mussten falsche Schlüsse aus den Worten der Männer gezogen haben, er sollte hier verschwinden. Er warf einen letzten Blick auf den Mann, der soeben gesprochen hatte, und das Licht der Talglampen fiel auf die hohe Stirn, auf der ein daumengroßes Blutmal prangte. Piet stutzte. Hatte Cristin nicht gesagt, dass dieser Lüttke … Was hatte der Mann in Krakow, in dieser Kirche, zu suchen? Er zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern und drückte sich in die dunkle Bankreihe. Nur wenige Schritte trennten ihn von den

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