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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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das Einschlafen schwer. Dem Jungen schien es nicht anders zu ergehen, denn oft wurde sie wach, wenn Janek heimlich unter ihre Decke schlüpfte und sich dicht an sie drängte, obwohl der Hufschmied ihn streng angewiesen hatte, bei ihm zu bleiben. Jaromir schlug stets taktvoll einige Klafter von ihnen entfernt sein Nachtlager auf, und in besonders kalten Nächten schlief er in der Kutsche, um sich vor dem zuweilen noch nach Frost riechenden Wind zu schützen. Cristin hatte dankbar beobachtet, wie er selbst im Schlaf einen Dolch mit einer Hand umklammert hielt. Gelegenheiten für Zweisamkeit blieben Baldo und Cristin nicht, und sich heimlich für kurze Zeit davonzustehlen war ebenso gefährlich wie leichtsinnig. Nur manchmal, wenn Janek und Jaromir in tiefem Schlaf lagen, liebten sie sich hastig, lautlos, ja beinahe verzweifelt, wenn die Sehnsucht nacheinander schier unerträglich wurde. Baldos warmen, drahtigen Körper nahe ihrem zu spüren, beruhigte Cristins angespannte Sinne, und sie lösten sich nur mit Bedauern voneinander.
     
    Während der Reise nutzte Janek jeden Augenblick, den er mit Cristin verbringen konnte. Seine Sprache war nach wie vor stockend, und manchmal grübelte er nach den rechten Worten, aber er gab sich sichtlich Mühe. Er erzählte von der Pflege des neuen Fohlens und – mit vor Eifer leuchtenden Wangen – von allem, was Jaromir ihm inzwischen beigebracht hatte. Fünf Tage nach ihrer Abreise fuhren sie immer öfter an ausgedehnten Seen vorbei, ebenso wie an Flüssen, von denen sie einige an niedrigen Stellen durchqueren mussten. Das Glitzern des Wassers in der Morgensonne, die fröhlichen Vogelstimmen und die zarten Knospen an den Ufern verhießen Erneuerung und Fruchtbarkeit.
    Als Cristins Wunsch, sich und ihre Kleidung gründlich waschen zu können, zu stark wurde, watete sie mit zusammengebissenen Zähnen in einen der Seen. Er war furchtbar kalt, und Cristin unterdrückte einen Schrei, als sie bis zum Hals in das klare Wasser eintauchte, um sich den Staub und Schmutz vom Körper zu reiben. Die Kälte stach in der Haut, trotzdem seufzte sie wohlig und genoss die kurze Wäsche. Baldo und Janek neckten sie wegen ihres übertriebenen Reinheitsbedürfnisses, und sie ließ es lächelnd über sich ergehen.
    Zwei Tage später wurde die Landschaft immer flacher, und schon bald roch die Luft nach Salz und kündete von der nahen Küste. Sie erreichten ein Dorf, in denen sie sich einfaches, aber schmackhaftes Essen gönnten. Dort mieteten sie sich in einer Herberge ein und schliefen das erste Mal seit vielen Tagen wieder auf einem Strohlager. Nicht mehr lange, dann würden sie an Bord eines Handelsschiffes gehen, das gegen Bezahlung Reisende mit über das Meer nahm.

20
     
    C ristin stand am Bug der Sturmvogel und betrachtete den Horizont. Was hatten Baldo und sie nicht alles erlebt in den letzten Monaten: Sie waren Zeugen unendlichen Leides geworden, hatten Tod und Zerstörung kennengelernt, aber auch die Freundschaft zu Königin Jadwiga und einigen anderen Menschen an ihrem Hof. Vor allem aber eine Liebe, wie Cristin sie nach dem schmerzhaften Verlust ihres Mannes kaum noch für möglich gehalten hatte. Und das mit jemandem, der so ganz anders war als Lukas. Der sie liebte, gleich, ob sie Mala, die Zigeunerin, die Heilerin Agnes oder Cristin war, die gesuchte und gejagte Mörderin. Sie musste an Piet und Janek denken. Der Abschied von den beiden hatte sie beinahe zerrissen. Janek, sonst wahrlich sparsam mit Liebkosungen, hatte ihre Wangen mit Küssen bedeckt, bemüht, die aufkommenden Tränen hinunterzuschlucken. Sie würden sich so bald wie möglich besuchen.
    Eine kalte Brise wehte über das Deck und ließ Cristin frösteln. Sie zog den Umhang fester um die Schultern, lehnte sich gegen die Reling und blickte über das graue Wasser. Der Wind hatte an Kraft gewonnen, und die mit Schaumkronen besetzten Wellen schlugen höher. Ihr Magen revoltierte, als sich die Kogge zur einen Seite senkte, um gleich darauf zur anderen zu schwenken. Während der vergangenen Nacht hatte Übelkeit sie gemartert und wachgehalten. Sie presste eine Hand auf ihren Leib. Als sich starke Arme um ihren Körper legten, wandte sie den Kopf.
    »Du bist schon wach?« Baldo stand hinter ihr, wie immer begleitet von seinem treuen Hund. Er drehte sie um und küsste sie auf die Stirn.
    Sie nickte. »Ich konnte nicht mehr schlafen. Wie es aussieht, bin ich nicht sonderlich seefest, außerdem musste ich an Elisabeth denken. Wie es ihr

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