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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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verschlangen. Ein groß gewachsener, kahlköpfiger Mann füllte Becher aus einem kleinen Fass ab und reichte diese an die Seeleute weiter. Als Cristin an der Reihe war und den Wein kostete, verzog sie das Gesicht, denn das Zeug schmeckte nicht. Sie reichte den Becher an Baldo weiter, der neben ihr auf einem der Aufbauten saß. Er leerte ihn mit einem Zug. Während der Schiffskoch mit dem Fässchen unter dem Arm an ihr vorbei zum Vorderdeck ging, wo der Rest der Mannschaft wartete, fing Cristin einen düsteren Blick von ihm auf. Sie erhob sich, ging zur Reling und trat neben Gottfried, der mit dem Becher in der Hand auf die nun nur noch leicht gekräuselte Wasseroberfläche hinausschaute.
    »Ich möchte Euch noch einmal danken, dass Ihr uns an Bord Eures Schiffes genommen habt.«
    Der Kapitän wandte den Kopf und nickte. Er trank den Becher leer.
    »Wir Lübecker müssen doch zusammenhalten.«
    »Ihr seid auch aus Lübeck? Das wusste ich gar nicht.«
    »Ja, geboren und … aufgewachsen. Mein Haus steht in der Becker…« Geistesabwesend schaute er sie an.
    »Die Beckergrove meint Ihr?«
    »Ja.« Gottfried blinzelte.
    »Kapitän?« Sie fasste nach seiner Schulter.«Ist Euch nicht wohl?«
    »Nein. Ähm … keine Sorge. Ich glaube, ich muss mich hinsetz…« Gottfried schwankte und hielt sich an der Reling fest. Im nächsten Moment fiel ihm der Becher aus der Hand und landete klirrend auf dem Boden.
    Hilfe suchend sah Cristin sich um. Und erstarrte. Weder auf dem Achter- noch auf dem Vorderdeck der Kogge war die übliche Betriebsamkeit zu hören. Schnell lief sie nach hinten und fand die Männer zu ihrer Verblüffung regungslos auf dem Boden. Cristin beugte sich über die zusammengesunkenen Körper. Überall nur schlummernde Seeleute, dazwischen Baldo mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. Sie packte ihn am Mantelkragen und versuchte ihn hochzuziehen, aber er stierte sie nur aus trüben Augen an. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie hatten schließlich nur einen Becher Wein getrunken und kein Gelage gefeiert!
    »Ist das nicht ein schönes Bild?«
    Sie fuhr herum. Vor ihr stand der Schiffskoch, die Mundwinkel zu einem hämischen Grinsen verzogen.
    »Was habt Ihr mit der Mannschaft gemacht?«
    Der Mann spuckte auf die regennassen Planken.
    »Sie wollten Wein, also habe ich ihnen Wein gegeben. So einfach ist das.« Er trat einen Schritt vor und streckte die Hand nach ihr aus.
    Cristin wich zurück. »Ihr habt etwas hineingetan, nicht wahr?«
    Der Mann schürzte die Lippen, seine Augen wurden schmal. »Natürlich. Du bist nicht nur schön, sondern auch eine kluge Frau.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Warum?«
    Ein weiterer Schritt, und er hatte Cristin erreicht und packte ihren Oberarm. »Dreh dich um, dann siehst du es!«
    Widerstrebend gehorchte sie, und in weniger als einer Meile Entfernung erspähte sie zwei Schiffe, die sich unter vollen Segeln rasch näherten. Sie kniff die Augen zusammen und konnte auf dem Vorderkastell des größeren die Silhouetten mehrerer Männer erkennen. Das metallene Glitzern ihrer Waffen in der tief stehenden Sonne ließ keine Zweifel an ihren Absichten. Das Heck der fremden Koggen zierte keine der bekannten rot-weißen Flaggen wie sie die Schiffe der Hanse kennzeichneten. Die schreckliche Wahrheit drang wie ein Donnerhall in ihren Geist. Die Seeräuber wollten die Sturmvogel entern! Kapitän Gottfried und seine Mannschaft, die wie tote Fliegen an Deck lagen, würden bei diesem Überraschungsangriff kaum Widerstand leisten können.
    Mittlerweile hatte sich das erste Schiff quer zur Hansekogge gelegt. Bestürzt beobachtete sie, wie eine schmiedeeiserne Kanone in Position gerollt und auf das Handelsschiff gerichtet wurde. Die Schiffe der Seeräuber waren jetzt nur noch zwei, drei Steinwürfe entfernt, Cristin starrte in die Gesichter von mindestens zwei Dutzend Männern. Wild entschlossen, in den Händen Schwerter und Armbrüste, standen sie breitbeinig an der Reling ihres Schiffes. Sie schlug ein Kreuz über ihrer Brust, dann endlich konnte sie sich von dem schrecklichen Anblick losreißen. Mit einer ruckartigen Bewegung befreite sie sich aus dem Griff des Schiffskochs und kletterte die kurze Leiter zum Achterkastell hinauf. Cristin wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch die Mannschaft lag schon viel zu lange ohne Regung auf dem Schiffsboden.
    »Wacht auf!«, schrie sie. »Wir werden überfallen!« Sie versetzte einem der Männer einen kräftigen Tritt in den Hintern. Als er nicht

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